Mit der wachsenden Bedrohung durch den Klimawandel und daraus resultierende Umweltkatarstrophen, wird auch der Ruf, nach einer internationalen Lösung für den Schutz unserer Erde lauter. In unserer Gesellschaft werden kriminelle Verstöße normalerweise durch die Polizei aufgedeckt oder verhindert und durch die Justiz bestraft. Umweltkriminalität wird aktuell hingegen wenig bis gar nicht verfolgt. Das liegt unter anderem daran, dass es keine einheitliche Lösung für die Frage, gibt, wie man mit Umweltkriminalität umgehen sollte. Zwar finden Verbrechen weiterhin in einem bestimmten Land statt, die Auswirkungen greifen jedoch über Landesgrenzen hinaus.
Ein Vorschlag, der durch verschiedene Umweltaktivisten unterstützt wird ist der Einsatz von sogenannten Grünhelm-Soldaten. Dahinter steckt ein ehemaliger internationaler Sicherheitskonflikt und ein Wunsch nach Klimagerechtigkeit.
Die Geburt der Blauhelme
Im Jahr 1956 brach am Sueskanal im Nahen Osten eine internationale Krise aus. Nur wenige Jahre zuvor hatte die „Freie Offiziere“-Bewegung den Ägyptischen König Faruk gestürzt und in dem nordafrikanischen Staat ein sozialistisches Regime mit Verbindungen zur Sowjetunion aufgebaut. Als dieses Regime die Verstaatlichung der Sueskanalgesellschaft ankündigte, intervenierten Israel, Großbritannien und Frankreich. Die Gesellschaft wurde bereits 100 Jahre vor dem Konflikt gegründet und war verantwortlich für den Bau des Sueskanals östlich von Ägypten. Nach Fertigstellung verwaltete sie die Wasserstraße und war somit ein wichtiger Garant für Erdöllieferungen aus dem Nahen Osten nach Europa. Die Verstaatlichung der Kanalgesellschaft durch das sowjetnahe Ägypten stellte insbesondere für Großbritannien ein Problem da. Gemeinsam mit Frankreich und Israel besetzte das Vereinigte Königreich den Sueskanal, die ägyptische Armee musste sich zurückziehen.
US-Präsident Eisenhower kritisierte das Vorgehen der drei Staaten. Für ihn war die konsequente Umsetzung der Containment-Politik in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Ägypten wichtiger, als die wirtschaftlichen Interessen Europas. Gemeinsam mit der Sowjetunion brachte die USA mehrere Resolutionen im UN-Sicherheitsrat ein, um die militärische Aktivität Israels, Frankreichs und Großbritanniens zu unterbinden. Sie scheiterten jedoch erwartungsgemäß an den britischen und französischen Vetos. Um dennoch eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu verhindern, beantragten die beiden eigentlichen Erzfeinde eine Notfallsitzung der UN-Generalversammlung. Nach mehreren Sitzungstagen beschloss die Versammlung eine völkerrechtliche Verurteilung der Invasion und forderte einen Rückzug der israelischen Truppen. Kurz darauf stellten auch Frankreich und Großbritannien ihre Kampfhandlungen nach Druck aus Washington ein. Am 4. November 1956 beschloss die UN-Gernerlaversammlung dann die Stationierung der ersten bewaffneten UN-Friedenstruppen an der Ägyptisch-Israelischen Grenze, um die Sicherheit der Grenze zu gewähleisten: die United Nations Emergency Force, kurz UNEF I.
Soldaten der Erde
Seit der Sueskrise wurden 69 weitere Friedensmissionen der Vereinten Nationen ins Leben gerufen, derzeit gibt es moch 14 laufende Einsäte. Den Spitznamen „Blauhelme“ erhielten die Soldaten 1960. Als die UN Friedenstruppen in den Kongo entsandte, schlug Generalsekretär Dag Hammarskjöld vor, die Helme der Soldaten blau zu markieren, um eine Verwechslung mit anderen militärischen Kräften auszuschließen.
Blauhelmmissionen sind in aller Regel reine Beobachtermissionen. Zwar sind UN-Friedentruppen bewaffnet, eine aktive militärische Rolle spielen sie aber nicht. Sie sollen vielmehr zwischen Konfliktparteien vermitteln und die internationale Staatengemeinschaft bei Bruch des Völkerrechts informieren. Um einen Einsatz aber überhaupt zu ermöglichen, wird ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates, sowie das Einverständniss des betroffenen Staates benötigt. Derzeit ist die Friedenstruppe etwa 90.000 Mann stark (Soldaten, Polizisten, Militärexperten und zivile Mitarbeiter) und speist sich auch aus den äquivalenten Institutionen der UN-Mitglieder, vor allem aus ärmeren Ländern wie Äthiopien, Bangladesch oder Ruanda.
Brauchen wir die Grünhelme?
Während der Kalte Krieg bis ins späte 20. Jahrhundert die größte Bedrohung für die Menschheit darstellte, hat der Klimawandel diese Rolle vermutlich für die nächsten Jahrhunderte übernommen. Dennoch ignoriert die internationale Politik dieses Problem bis heute zum großen Teil. Auch deshalb wurde die Idee der Gründung einer neuartigen Grünhelmtruppe zum militärischen Schutz der Umwelt bisher kaum disskutiert. Grundlage für eine solche Einheit wäre eine Aufnahme von Verbrechen gegen die Umwelt in das Völkerrecht, ein Schritt der aus Sicht vieler Umweltschützer schon lange überfällig ist.
Vorbilder für Grünhelme gibt es bereits. Das brasilianische Umweltministerium unterhält beispielsweise eine eigene Spezialeinheit, die den illegalen Abbau von Holz, Gold Mineralien in Naturschutzgebieten unterbinden soll. Die Mitglieder der Einheit sind militärisch ausgebildet und bewaffnet und haben die häufig kriminellen Abbausyndikate bereits aus einigen Regionen des brasilianischen Regenwaldes zurückgedrängt. Seit der Präsidentschaft des rechtsextremen Jair Bolsonaro ist diese Entwicklung allerdings rückläufig. Außerdem sichert die Sondereinheit Wissenschaftler, die im Amazonas-Regenwald forschend tätig sind.
Insbesondere aus umwelttechnisch besonders kritischen Regionen wie Südamerika oder Südostasien wird in letzter Zeit immer wieder von schweren Umweltverbrechen berichtet. Interpol Generalsekretär Jürgen Stock vergleicht die Strukturen der Umweltkriminalität mit anderen Formen des oragnisierten Verbrechens und warnt: „Umweltkriminalität tritt im industriellen Maßstab auf, wobei transnationale Gruppen der organisierten Kriminalität Milliardengewinne erzielen und gleichzeitig die Rechtsstaatlichkeit und die nationale Sicherheit gefährden.“ Mittlerweile führt die internationale Polizeigemeinschaft eine Liste der meistgesuchten Umweltverbrecher.
Auf dieser Liste stehen auch die beiden Kenianer Nicholas Mweri Jefwa und Samuel Bakari Jefwa. Beide werden vom Kenianischen Staat beschuldigt Trophäen von unter Artenschutz stehenden Tieren dank mafiöser Strukturen in die ganze Welt zu verkaufen. Viele afrkanische Staaten haben ein Problem mit Wilderern, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die Sicherheit der Staaten selbst gefährden. Schwer bewaffnete Banden überfallen Konvois von Umweltschützern und nationale Sicherheitskräfte müssen sich häufig zurückziehen. Eine gut ausgebildete und ausgestattete internationale Eingreiftruppe könnte in solchen Regionen für Sicherheit und Naturschutz sorgen.
Lösungen gegen den Klimawandel müssen vor allem durch Gesetze stattfinden, die die Zerstörung der Umwelt verhindern. Damit diese aber in bereits geschwächten Regionen auch umgesetzt werden können, bedarf es der internationalen Zusammenarbeit. So wie die Friedensischerung am Sueskanal 1956 nur durch interationale Abkommen gelingen konnte, brauchen wir auch jetzt eine globale Lösung. Die Aufnahme von Umweltverbrechen in das Völkerrecht ist ein überfälliger Schritt, der nächste wäre die Durchsetzung dieses Rechts durch Grünhelme.