Amazing Amazon

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Jeff Bezos ist der reichste Mann der Welt, sein Vermögen wird auf 111,27 Milliarden US-Dollar geschätzt. Davon möchte Bezos nun 10 Milliarden für das Klima spenden. Lobenswert mögen einige sagen, doch das Unternehmen, das Bezos seinen Reichtum bescherte, hat selbst keine weiße Weste. Beinahe 8000 Mitarbeiter haben einen offenen Brief unterschrieben, in dem sie die Milliardenspende kritisieren. Bevor man sich mit Spenden gut stelle, müsse sich Amazon zunächst einmal an die eigene Nase fassen. Die Verfasser meinen damit vor allem, dass Amazon aufhören muss Thinktanks zu finanzieren, die den Klimawandel leugnen, wie z.B. Comeptitive Enterprise Institute, und dass sie sich von Öl und Gas unabhängig machen müssen. Vor allem aber sollte Mitarbeitern, die ihre Stimme erheben, um gegen den Klimawandel zu kämpfen, nicht mit einer Abmahnung gedroht werden.

Tatsächlich ist Amazon wohl eines der meist diskutierten Unternehmen auf der Welt und gleichzeitig auch eines der meistgenutzten. Vor einigen Monaten ging das Unternehmen durch die Presse, als bekannt wurde, dass Retouren in großem Stil vernichtet, anstatt als B-Ware erneut verkauft werden. Schlichtweg weil es günstiger ist. Amazon macht 55% seines Umsatzes durch die Bereitstellung von Lagerung und Transport für externe Händler. Lagert ein Produkt nach der Rücksendung zu lange, kostet das bis zu 1000€ por Kubikmeter pro Jahr. Amazon bietet als Alternative die Entsorung an. Für ganze 10 Cent pro Einheit.

Doch die Politik ist aktiv geworden und so ist das vernichten zurückgeschickter Pakete verboten worden. Das sieht das neue Abfallgesetz vor. Darin gibt es die Obhutspflicht, was bedeutet, dass Händler die „Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse“ erhalten müssen. Ein erster Schritt, um der massiven Ressourcenverschwendung entgegenzuwirken. Besonders in einer Zeit, in der wir uns das eigentlich absolut nicht leisten können.

Jeder Klick wird gespeichert

Seine Ursprünge hat Amazon, wie viele Amerikanische Unternehmen in einer Garage. 1995 gründete der Informatiker Jeff Bezos das Unternehmen als Onlinebuchhandlung, nahm jedoch schon bald auch andere Produkte auf. Heute hat das Unternehmen einen Gesamtwert von mehr als 800 Milliarden US Dollar. Und sammelt Daten ohne Ende.

Theoretisch hat jeder Nutzer das Recht, eine Kopie der von einem Unternehmen über ihn gespeicherten Daten anzufordern. Katharina Nocun, Bürgerrechtlerin und Netzaktivisten machte von diesem Recht Gebrauch. Erst nach langer Diskussion stellte Amazon ihr die angeforderten Daten bereit. Gespeichert wurde jeder einzelne Klick plus ca. 50 Zusatzinformationen pro Klick. Amazon weiß also nicht nur, was sie gekauft hat, sondern kennt auch ihren kompletten Suchverlauf, wie lange sie welche Rezension gelesen hat, mit welchem Gerät sie die Seite besucht hat, aus welchem Land, zu welcher Urzeit und mit welchem Browser. Aus diesen Daten lassen sich sogar Schlaf-Wach-Zeiten ermitteln.

„Nur weil ich nachts nicht einschlafen kann und bei Amazon was nachgeguckt hab, heißt das ja nicht, dass ich möchte, dass ein Unternehmen eineinhalb Jahre auf Vorrat speichert, wann ich nicht einschlafen konnte.“ – Katharina Nocun

Das Ausspähen von Kundendaten und die Retourenvernichtung sind nur zwei Beispiele einer fragwürdigen Unternehmenspolitik. Mitarbeiter klagen über schlechte Arbeitsbedingungen. Die Mittagspause sei nur 25 Minuten lang, der Weg zur Kantine dauere aber alleine schon acht bis neun Minuten. Dass man es dann manchmal nicht rechtzeitig zurück schafft, ist unumgänglich. Doch die Manager würden alle Mitarbeiter beobachten, sich aufschreiben, wer zu früh ginge und zu spät wiederkomme, auch wenn es nur Sekunden seien. Mittels der Scanner, lasse sich die genaue Zeit ermitteln, wann und wie lange jeder einzelne Mitarbeiter zur Toilette gegangen sei. Ist der Scanner zu lange inaktive, kämen die Manager zu den Mitarbeitern, und würden fragen, ob alles in Ordnung sei. So schildern Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen in deutschen Standorten den Redakteuren der Vice. Amazon bestreitet diese Vorwürfe.

Ohne Diversität geht Freiheit verloren

Trotzdem scheinen sowohl Händler als auch Kunden Amazon weiterhin zu nutzen. Das liegt vor allem an der Abhängigkeit vieler Unternehmen von Amazon. Ein Beispiel aus den USA verdeutlicht, wie Amazon einen Bereich eines Unternehmens zerstören und einen anderen aufbauen kann. Die Kaufhauskette Sears musste 2017 fast die Hälfte ihrer Filialen schließen. Als sie jedoch ankündigten, dass ihre beliebten Haushaltsartikel auch über Amazon erhältlich seien, schoss die Aktie nach oben.

Für den deutschen Einzelhandel wird Amazon jedoch zunehmend zum Problem. Viele Ökonomen sagen ein Massensterben des Einzelhandels voraus. In 10 bis 15 Jahren soll jedes zweite Filialunternehmen vom Markt verschwunden sein, was dann noch übrig ist wird fusioniert oder aufgekauft.

Viele Händler sind dennoch auf Amazon angewiesen. Der Marketplace habe mittlerweile ein so großes Monopol, dass Kleinhändler Amazon gar nicht mehr umgehen können, so Autor Johannes Bröckers, der ein Buch gegen Amazon veröffentlichte. Bröckers sagt, dass Kleinhändler ihre Produkte über Amazon anbieten müssen, obwohl sie das Risiko eingehen, dass Amazon ihre Produkte kopiert und selbst verkauft, dass sie rausgedrängt oder aufgekauft werden. Diese Abhängigkeit ist jedoch nicht nur deswegen problematisch, weil mit der Schließung von Einzelhandelsfilialen zahlreiche Arbeitsplätze in Gefahr sind, sondern auch weil mit schwindender Diversität auch die Freiheit verloren geht. Hat ein Anbieter mehr als 50% des Marktanteils, gibt ihm das eine Macht, mit der sogar Preise diktiert werden können.

Bezos Milliardenspende ist also viel mehr ein Ablenkungsmanöver, um von den tatsächlichen Zuständen, die zurecht immer wieder kritisiert werden, abzulenken. Bezos möchte die Umweltstiftung „Bezos Earth Fund“ gründen, die NGOs und Aktivisten fördern soll. Außerdem kündigte er an, bis 2030 ausschließlcih erneuerbare Energien zu nutzen. Doch auf Worte folgen nicht immer Taten. Den Schritt auf Erneuerbare Energien umzusteigen gab es 2014 schon. Stattdessen spendete Bezos 2018 Geld an Kongressabgeordnete, die gegen den Klimaschutz stimmten. Auch schrumpft die Spendensumme beachtlich, wenn man bedenkt, dass Amazon dank Schlupflöchern praktisch keinerlei Steuern bezahlt.

Aufstehen und rausgehen

Wer Amazon nicht mehr unterstützen will, gegen die schlechten Arbeitsbedingungen ist oder von betrügerischen Marketplacehändlern genug hat, der kann auf Alternativen ausweichen. Amazon ist nicht der einzige Onlinehändler, auch wenn es manchmal so wirkt.

Zuerst einmal kann man natürlich selbst von seinem Sofa aufstehen und rausgehen. Eigenständig in Buchhandlungen stöbern und in Kaufhäuser oder kleinere Shops zu fahren macht nicht nur Spaß, sondern sorgt auch dafür, dass die Läden in Zukunft erhalten bleiben und keine Retouren verschickt werden müssen. Einen Onlineshop mit der gleichen Bandbreite wie Amazon wird man nicht finden. Das ist aber auch gar nicht nötig. Stattdessen kann man spezifisch einkaufen. Schuhe im Schuhladen, Festplatten im Hardwarestore. Auch haben große Kaufhäuser meist einen sehr guten Online-Auftritt, ebenso wie Drogeriemärkte und Modehändler. Und es gibt weitere Versandhäuser, wie beispielsweise Zalando oder Otto.

Es gibt also eine Reihe Alternativen. Vor dem Hintergrund der Zustände bei Amazon ist es sicherlich gut, sein Konsumverhalten einmal zu überdenken. Vielleicht ändert sich dann auch wirklich etwas und Jeff Bezos bügelt nicht erst hinterher die Fehler aus, sondern sorgt als reichster Mann der Welt dafür, dass sein Unternehmen nicht zur Zerstörung der Zukunft beiträgt.

Bildquelle<a href=“http://Bild von Hannes Edinger auf Pixabay„>: Pixaby

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