Im Jahr 2010 erklärten die Vereinten Nationen in der Resolution 64/292 das Recht auf einen Zugang zu Trinkwasser zum Menschenrecht. Leider haben auch heute, zehn Jahre später, mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser. Und auch in den Ländern, in denen es ein Trinkwassersystem gibt, streben Mächte auf, die aus diesem Menschenrecht Geld machen wollen. Wasser ist eines der wertvollsten Güter auf unserer Erde – ohne Wasser, wäre Leben nicht möglich. Es ist also kein Wunder, dass es Investoren und Privatfirmen auf den Plan lockt. Hier ist Geld zu machen.
Jede Gemeinde hat eine eigenen Trinkwasserversorgung und muss die Versorgung der Bürger mit Wasser gewährleisten. Das ist in Deutschland genauso wie in Bolivien oder den Phillipinischen Inseln. Doch in Zeiten, in denen die Gemeinden bei knapper Kasse sind, wird die Trinkwasserversorgung auf einmal zu einer Geldbeschaffungsmaßnahme. Das Konzept der Privatisierung von Trinkwasseranlagen wurde 1980 unter der neoliberalen Margaret Thatcher wiederentdeckt und später in der ganzen Welt kopiert. Verkauft werden Zugänge zu Quellen, aber auch Trinkwasseranlagen und Rohrleitungssysteme. Da sich viele Gemeinden die Erneuerung und Instandhaltung des Netzes nicht leisten können, wird das Wassernetz an eine Privatfirma verkauft, die dann alle anfallenden Kosten übernehmen soll. Gleichzeitig solle der Wasserpreis niederig bleiben. Der Markt regle das.
Das eigentliche Problem ist jedoch, dass privatwirtschaftliche Unternehmen gar nicht günstiger produzieren können, weil sie im Gegensatz zu den Gemeinden Gewinne erzielen müssen. Zu welchen Katastrophen das führen kann, zeigen verschiedenste Beispiele aus der ganzen Welt.
1989 wurde das Londoner Wassernetz privatisiert. Das Unternehmen, dass die Leitungen gekauft hatte, machte große Gewinne, allerdings dadurch, dass sie notwendige Wartungen ausließen und gleichzeitig die Preise erhöhten. Die Rohrleitungen waren irgendwann so marode, dass die Hälfte des Wassers im Boden versickerte.
In Manila steigen die Wasserpreise um 700%
Besonders problematisch ist die Wasserprivatisierung in südlichen Entwicklungsländern. Hier haben meistens nur die Städte ein vernünftiges Rohrleitungssystem, dementsprechend lassen sich auch nur hier Gewinne erzielen. Die so notwendigen Investitionen, um die Landbevölkerung an das Wassernetz anzuschließen bleiben aus.
Immer wieder kommt es im Zuge der Privatisierung zu Aufständen und Protesten. In Chochabamba in Bolivien kam es nach der Privatisierung des Wassernetzes zu einem regelrechten Wasserkrieg. Die Preise hatten sich um 300% erhöht, viele Bolivianer konnten sich kein Wasser mehr leisten. In Straßenschlachten kämpften die Bewohner gegen den Privatinvestor. Letztendlich gewannen sie und das Wassernetz wurde rekommunalisiert.
Der wohl schlimmste Fall ereignete sich in Manila auf den Phillipinischen Inseln. Als Bedingung für finanzielle Hilfe stellte man die Bedingung, die Wassernetze zu Privatisieren. Die Regierung war korrupt und die Rohre marode, ein Privatinvestor sollte das Problem lösen. Die versprochenen Investitionen fanden jedoch nie statt und innerhalb von 10 Jahren war der Wasserpreis um 700% gestiegen. Wer sich die Preise nicht leisten konnte, wurde vom Netz abgeschnitten und musste auf verschmutztes Wasser zurückgreifen. 2003 brach dann die Choleraepidemie aus.
Auch in Deutschland wurden Teile des Wassernetzes privatisiert. Stuttgart verkaufte 2003 alle Trinkwasseranlagen, sowei Anteile an ihren Quellen für 10 Jahre an EnBW. Die Bewohner kämpften für die Rekommunalisierung und gewannen. 2013 kaufte die Stadt die Anteile zurück. Für 700 Millionen, was dem vier- bis fünffachen des Kaufpreises entsprach.
Nestlé gräbt Vittel das Wasser ab
Dass man mit Wasser viel Geld machen kann, hat auch der größte Lebensmittelkonzern Nestlé verstanden. Dem Konzern mit Hauptsitz in der Schweiz gehören mehr als 2.000 Marken, darunter Häagen-Dasz Eiscreme und Mövenpick.
Nestlé steht seit vielen Jahren in Kritik. Nicht nur wegen Kinderarbeit auf Kakaoplantagen, Gentechnik und Tierversuchen, sondern auch wegen Wasserprivatisierung. Zur Wassersparte von Nestlé gehören Marken wie Vittel und S.Pellegrino. Nach eigenen Angabe erwirtschaftete der Konzern 2018 alleine mit seinen Wasserprodukten 6,9 Milliarden Euro Umsatz. Dazu kaufen sie Wasserrechte von staatlichen Behörden, die es erlauben, Wasser direkt aus dem Grundwasser abzupumpen. Nicht nur in Gebieten, in denen es viel regnet, eben auch in Ländern, die von Trockenheit und Wassermangel geprägt sind. So hat Nestlé zum Beispiel in Südafrika 11 Standorte. 2012 wurde der Film Bottled Life veröffentlicht, in dem die Filmemacher Nestlé vorwerfen, Schuld an der Trockenheit in Pakistan zu sein. Nestlé weist diese Vorwürfe auf ihrer Website zurück und distanziert sich von dem kritischen Film.
In Vittel in Frankreich wird derzeit das Wasser knapp. Nestlé gehören hier zwei Quellen, aus denen Wasser für die gleichnamige Marke Vittel entnommen wird. Das 5000 Einwohner Dorf ist beunruhigt. Jährlich sinkt der Grundwasserspiegel um 30cm und das nicht alleine wegen Trockenheit. Die Quelle in Vittel hat Tradition. Das Wasser habe eine Heilkraft, das wussten schon die Römer. Doch bald wird damit Schluss sein. Einwohner dürfen an der öffentlichen Quelle nur noch sechs Flaschen abfüllen, angeblich um lange Warteschlangen zu vermeiden. Auch Schäfer dürfen das Wasser nicht nutzen. Sie müssen weite Strecken zurücklegen und Wasser von außerhalb holen. Gegenüber dem Stern sagte Nestlé, dass es heute noch keine Wasserknappheit gebe, räumte aber ein, dass es ab 2050 bedrohlich wird. Um das Problem zu lösen, soll eine Pipeline gebaut werden. Wer dafür bezahlt? Nestlé wird es nicht tun. Am Ende bleiben die Kosten an den Dorfbewohnern hängen. Zumindest indirekt, denn das Projekt soll mit Steuergeldern finanziert werden.
Michigan schlägt zurück
Im US-Bundesstaat Michigan war ein Streit um die Wasserprivatisierung entbrannt. 2017 wollte Nestlé in der Stadt Osceola eine Pumpstation bauen. Aus dieser Region entnimmt der Konzern Wasser für seine Marke „Ice Mointain“. Die Bewohner hatten gegen den Bau geklagt. Jetzt entschied das Berufungsgericht, dass Nestlé den Bau der Pumpstation nicht als „essenzielle öffentlliche Dienstleistung“ bezeichnen darf. Der Guardian zitiert den Rechtsanwalt Jim Olson, der schon seit mehreren Jahren gegen Nestlé kämpft:
„Dieser Fall offenbart, wie weit private Wasseranbieter wie Nestlé gehen, um Wasser und die Länder und Gemeinden, die das Unternehmen versorgt, zu privatisieren. Dieses Wasser gehört aber dem Staat und der Öffentlichkeit, denn der Verkauf von Wasser in Flaschen ist ein privates Geschäft“
Jim Olson, Rechtsanwalt
Am Ende bleibt nur zu sagen, der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht und er muss es bleiben. Wir müssen dafür sorgen, dass sich einige wenige nicht daran bereichern, dass andere verdursten.