Kommentar
Endlich, endlich! Nach jahrelangen Debatten macht das Kabinett den Weg für eine Frauenquote in Vorständen von börsennotierten und parietätisch mitbestimmten Unternehmen frei. Nach dem neuen Gesetzentwurf muss in Vorständen dieser Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern mindestens eine Frau sitzen. Ein kleiner Schritt, aber immerhin überhaupt ein Schritt rein in die Gleichberechtigung und raus aus patriarchalen Machtstrukturen. Noch strengere Regeln gelten für Unternehmen, in denen der Bund mit der Mehrheit beteiligt ist. In diesem Fall soll bereits bei mehr als zwei Mitgliedern wenigstens eine Frau dabei sein. Zusätzlich müssen alle anderen Firmen in Zukunft begründen, wenn sie die oberen Führungsebenen und den Aufsichtsrat ohne Frauen planen. Der Gesetzentwurf ist auch ein Erfolgserlebnis für die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und die Bundesjustizministerin Christine Lambert. Beide Ministerinnen hatten lange für eine verbindliche Frauenquote auch auf Vorstandsebene gekämpft, denn die Koalition tat sich mit einem Kompromiss nicht einfach.
Nach dem Beschluss der Frauenquote für Aufsichtsräte 2016 dauerte es nun fünf Jahre, bis sich die Koalition zu einer Regelung für Vorstandspositionen einigen konnte. Vor allem der konservative Flügel der CDU, aber auch die FDP in der Opposition, stellten sich gegen die neue Regelung, während sich die SDP, unterstützt von der Linken und den Grünen, schon seit vielen Jahren für eine Quote einsetzt. Bei so gespaltenen Meinungen, kommt man nicht umher einen Blick auf die Geschlechterverteilung innerhalb der Fraktionen zu werfen und mit einem Schrecken festzustellen, dass CDU, FDP und AfD zunächst einmal vor ihren eigenen Haustüren kehren müssen. Sie selbst kommen mit ihren Bundestagsabgeordneten nur auf einen Frauenanteil von 20% (CDU und FDP) oder sogar nur 11% (AfD), wohingegen die Grünen mit 58,2% und die Linke mit 53,6% weit vorne liegen. Dabei sind Parteien ein entscheidender Faktor, wenn es um die Akzeptanz beschlossener Maßnahmen in der Gesellschaft geht, wie eine 2019 erschienene Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigte.
Viel Zeit hatten die Unternehmen seit 2016 ihre Vorstände anzupassen, um eine gesetzliche Regelung nichtig zu machen, doch nichts ist passiert. Freiwillig tut sich hier kaum etwas und wenn, dann nur äußerst langsam. Es kann nicht sein, dass die Hälfte der Bevölkerung nicht in den Führungsetagen großer deutscher Unternehmen repräsentiert ist. Das bestätigte auch Finanzminister Olaf Scholz und erklärte: „Die Zeit für freiwillige Maßnahmen ist endgültig vorbei“.
Männer fördern Männer, wenn auch oft unterbewusst. In der Psychologie ist längst bekannt, dass wir anderen Menschen, die uns ähnlich sind, eher vertrauen. Uns selbst sehen wir täglich im Spiegel, was uns unterbewusst vermittelt: von dieser Person geht keine Gefahr aus. Alles, was fremd ist sagt hingegen: Großen Gefahrenpotenzial. Also besser davon fern bleiben. Durch eine Quote wird dieses unbewusste Schema unterbunden und Männer in Chefetagen dazu gezwungen, auch Frauen als Kandidatinnen wahrzunehmen und zu fördern. Überhaupt werden mit der Quote Chancen für Frauen geschaffen, in höhere Positionen zu kommen. Es ist schwierig sich und seine Kompetenzen zu behaupten, wenn man nie eine Beförderung erhält, weil man potenziell schwanger werden könnte oder überhaupt nicht gesehen wird. Die Angst, dass dadurch auch unqualifizierte Frauen höhere Positionen erreichen bleibt unbegründet. Immerhin gilt weiterhin das Prinzip der freien Wirtschaft. Wer nicht liefert, ist schnell wieder weg vom Fenster.
Frauen dürfen keine Minderheit mehr sein. Nach dem Minority Stress Modell, einer bekannten psychologischen Theorie, erleben Minderheiten häufiger Stressoren, die sich negativ auf ihre psychische und physische Gesundheit auswirken. Außerdem bleibt eine Minderheit machtlos. Eine Alibifrau alleine wird wenig erreichen können, denn nur wenn die Gruppenkohärenz (die Gleichheit in der Gruppe) gering ist, ist es einer Minderheit in einer Gruppe möglich, Einfluss zu gewinnen. Auch hier kann die Quote helfen.
Warum lassen wir die Hälfte der Bevölkerung unsere Gesellschaft nicht aktiv mitgestalten? Niemand verliert bei einer Frauenquote. Außer eben die Männer, die ihre Posten auf Basis eines seit Jahrhunderten strukturell Frauen diskriminierenden Systems erlangt haben. Wenn ein Mann sagt, es zähle nur Leistung, und Geschlecht sei eben keine Qualifikation, dann ist er ganz nah dran, das Problem zu verstehen. Mit seiner Aussage hat er vollkommen Recht. Das Prinzip gilt aber für alle Geschlechter und damit auch für Männer.
Alle Argumente, die gegen die Frauenquote sprechen, beziehen sich eigentlich gar nicht auf die Tatsache, dass dann mehr Frauen in Vorständen sitzen würden, sondern auf strukturelle Probleme, die man lieber den Frauen zuschiebt, als sie vernünftig anzugehen. Das Argument, die Familien würden leiden, weil mit einer Quote mehr Frauen in Vollzeit arbeiten würden und es bereits jetzt an qualifizierter Kinderbetreuung in Deutschland mangelt, ist für jede Frau ein Tritt ins Gesicht. Sie werden als Sammelbecken für die Probleme einer patriarchalen Gesellschaft genutzt und müssen in vielen Fällen ihre Karriere aufgeben, obwohl es bereits so viele Ideen gibt, wie es anders gehen kann. Da wäre eine Verlängerung der Partnermonate in der Elternzeit, um auch Väter mehr in die Kindeserziehung zu involvieren. Oder die Abschaffung des Ehegattensplittings, um finanzielle Anreize zu schaffen, damit es sich lohnt, dass beide Eltern ihre Arbeitszeit und ihr Einkommen gleichmäßiger aufteilen. Auf derselben Ebene steht das Argument, es gäbe nicht genügend qualifizierte Frauen. Es ist nicht wahr, dass es nicht genügend gäbe, aber es gibt auf jeden Fall weniger qualifizierte Frauen als Männer. Das liegt aber kaum an den Frauen, sondern an einem System, dass systematisch Männer fördert und viele Frauen links liegen lässt, sei es bei Beförderungen oder bei Weiterbildungsmöglichkeiten.
Sicherlich, die Quote ist nicht toll. Es wäre besser, wenn wir sie nicht brauchen würden. Leider ist das nicht der Fall. Auch deshalb werden Frauen nicht aufhören, lautstark für ihre Rechte einzustehen, nur weil sie per Gesetz an die Spitze eines strukturell diskriminierenden Systems gesetzt werden. Die Quote ist für die Gleichberechtigung wie eine Art Krücke. Ein Hilfsmittel, um das Laufen neu zu lernen. Irgendwann braucht man sie nicht mehr, dann kann man die Krücke zurück in den Schrank legen und die Quote wieder abschaffen. Doch bis dahin ist der Weg noch lang und eine Krücke verdammt hilfreich.