Bitcoin als Umweltretter? Ein Interview mit Stefan von netpositive.money (vollständiges Interview)

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vollständiges Interview

Immer mehr Banken, Unternehmen und auch Staaten diskutieren über Bitcoin. Unter anderem steht auch die Frage im Mittelpunkt: Wie umweltschädlich ist Bitcoin? Für dieses Thema haben wir nun jemanden eingeladen, der sich schon seit Jahren mit diesem Thema beschäftigt und Bitcoin nachhaltiger machen möchte. In diesem Interview sprechen wir mit einem der Gründer der Webseite netpositiv.money.

Spotlight: Herzlich willkommen bei Spotlight, Stefan. Wer bist Du und welches Team steht hinter netpositive.money?

Stefan: Ich bin Stefan und seit langer Zeit Bitcoiner. Wir sind ein loser Verband von Leuten aus der Bitcoin-Community, die meistens schon recht lange dabei sind und denen das Thema Klimawandel wichtig ist. Wir versuchen zu verstehen: Wie schädlich Bitcoin für die Umwelt ist und was können wir dagegen tun?

Spotlight: Wie groß ist dieser lose Verband und wie strukturiert ihr euch?

Stefan: Ähnlich wie Bitcoin haben wir ein anarchisches System. Es gibt also keine Struktur in diesem Sinne. Es gibt ein Kernteam von ca. 5 Leuten, aber z. B. nur ich und @rootzoll waren bei einem Interview beim Blocktrainer. Wir sind aber kein Verein mit festen Mitgliedern. Es ist ein ganz informeller Zusammenschluss an Leuten. Wir haben mittlerweile einen Twitteraccount. Der hat zwar erst 120 Follower, aber den gibt es auch erst seit zwei Wochen. Es wächst alles ganz organisch und informell. Wir haben uns bewusst dagegen entschiedenen einen Verein oder eine Stiftung zu gründen. Das hatte verschiedene Gründe: Erstens weil es international angelegt ist und zweitens weil das nicht zu Bitcoin passen würde, eine zentrale Struktur zu bauen. Es soll wie Bitcoin ein Verband von Leuten sein, die freiwillig zusammen arbeiten. Und dabei gibt es keine festen Rollen. Jeder macht das, wozu er Lust hat und sich fähig fühlt.

Spothlight: Wie strukturiert ihr dann eure Webseite? Das muss ja über eine Person oder eine Organisation laufen.

Stefan: Also die ganze Idee zu diesem Konstrukt ist schon von mir, wobei sie inspiriert ist von früheren Initiativen – insbesondere von Christian. Diese Webseite habe ich im wesentlichen geschrieben, aber mit dem Input der andren. Das ganze ist mit Github entstanden. Da kann sozusagen jeder seinen Teil einbringen und es ist alles open source. Jeder kann Dinge ändern oder kopieren wie er möchte. Man kann auch eine alternative Webseite erstellen oder einen pull request machen. Es ist also alles so modelliert, wie Programmierer heute digital zusammenarbeiten auch wenn es vielen nicht geläufig, das ist mir auch klar. Wer aber z. B. Fehler findet, eine Übersetzung oder eine Alternative Seite machen möchte, der kann das mit einem pull request. Wir schauen uns das an und entscheiden, ob das angenommen wird. Aber natürlich, am Ende gibt es immer jemanden, der in der Mitte steht, aufpasst und den Hut auf hat. Aber es im wesentlichen eine Webseite und wir sammeln ja kein Geld, verwalten es und verteilen es wieder weiter. Das wollten wir bewusst nicht machen. Unsere Mission ist es ja nur Informationen zu sammeln, diese aufzubereiten und Leute zu motivieren selbst etwas zu tun. Und dann zu messen, was passiert ist.

Spotlight: Sehr cooles Ziel. Du hast gerade schon kurz angeschnitten, dass ihr kein Geld verwalten, sondern Aufklärungsarbeit leisten möchtet. Was steckt hinter dem Namen „netpositive.money“. Das zeigt wahrscheinlich das ganz große Ziel dahinter, so wie es klingt. Erzähle gerne davon und auch welche Meilensteine noch auf euch zukommen.

Stefan: Das ist natürlich der Traum der da hinter steckt. Das ist sozusagen das große Ziel, was ich mir mal überlegt habe, wenn man das sagen kann. Der Name ist nicht von mir, der ist von Manuel aus dem Podcast, also zumindest „netpositive“. Ich finde netpositive klingt irgendwie gut. Damit ist gemeint, dass wir als Community sagen können, dass Bitcoin im ganzen gesehen einen positiven Beitrag zum Klimaschutz geleistet hat. Ich finde, dass wir soweit noch lange nicht sind, aber zu diesem großen Ziel möchten wir kommen. Daher dachten wir, dass „netpositiv“ ganz gut passt und dann haben wir geguckt, welche Domains noch offen sind. Es gibt ja schon die verrücktesten Toplevel-Domains, z. B. ist auch .money eine Toplevel-Domain; man muss gar nicht .org oder ähnliches haben. Und .money war tatsächlich frei und wir fanden das alle ganz gut, netpositive.money kann man auch ganz gut aussprechen. Dann haben wir uns die Domain geschnappt.

Spotlight: Was sind denn die nächsten Meilensteine? Habt ihr einen konkreten Fahrplan?

Stefan: Das entsteht alles fließend. Auf unserer Webseite haben wir den Abschnitt „about“ und beschreiben da die Mission. Wir sind jetzt seit eins zwei Wochen dem Ziel nah, dass wir unser erstes MVP, Minimum Viable Product, auf unserer Webseite haben. Die ersten Schritte waren zu verstehen, wie die Umweltwirkung von Bitcoin ist. Das haben wir jetzt ein Jahr lang gemacht und viel darüber gelesen und gehört. Dann haben wir die guten Quellen aufbereitet, die wir empfehlen können und einen FAQ gemacht, Frequently Asked Questions erstellt, weil gerade von der Presse die abenteuerlichsten Behauptungen kommen. Ich finde es daher auch so schön mit dir jetzt darüber zu reden, weil ihr das erste Pressemedium seid, das außerhalb der Bitcoin-Community steht. Das ist ja ein großer Adressat von uns, weil vor allem da ganz seltsame Dinge behauptet werden und alles sehr oberflächlich ist. Ich finde es gut, dass ihr mit gutem Beispiel voran geht und mit uns darüber redet über die wirkliche Situation. Das ist eben unser Ziel. Es ist ein sehr komplexes Gebiet. Bitcoin zu verstehen ist schon schwierig und den Klimawandel zu verstehen ist noch viel schwieriger. Der Zusammenhang zwischen Bitcoin und Klimawandel kann also nicht in 10 Minuten Recherche beigeschlossen und dann mal eben hingeschrieben werden. Das sieht man den Artikeln häufig an.

Spotlight: Hast du dafür ein Beispiel?

Stefan: Zur Zeit ist Bitcoin ja wieder überall in den Medien, gerade weil Bitcoin wieder im Aufschwung ist. Dann liest man immer wieder Schlagzeilen und Behauptungen wie: „Eine Bitcointransaktion braucht so viel Strom wie 22 Tage ein Haushalt. Dagegen braucht eine Visatrasaktion nur 5 Wattstunden, also nahezu nicht. Das ist dann 100.000 Mal so viel.“ (Hier beispielsweise ein ähnlicher Vergleich) Das sind dann so komische Rechnungen und die Vergleiche sind halt völlig irrsinnig. Man kann irgendwas mit irgendwas vergleichen, aber die Dinge haben nichts miteinander zu tun. 1. Ändert bei Bitcoin die Anzahl der Transaktionen nichts daran wie viel Strom verbraucht wird. Mehr Transaktionen verbrauchen also nicht mehr Strom und man kann auch nicht viele Transaktionen machen auf der Blockchain. Da gehen nur ca. 400.000 am Tag. Es werden auch nicht mehr. Und 2. mach eine Vergleich zu Visa gar keinen Sinn, weil es etwas völlig anderes ist. Bitcoin ist nicht primär ein Zahlungssystem, sondern in erster Linie eine komplett neue Assetklasse oder Wirtschaftsgut, die viel weitreichendere Auswirkungen hat als einfach nur ein Zahlungssystem. Eine Bitcoinzahlung ist etwas völlig anderes als eine Visazahlung. Eine Visazahlung bedeutet, dass zwei Firmen zwei Zahlen in der Datanbank ändern. Das ist erstmal fast nichts. Es kann auch noch 6 Monate später Rückgängig gemacht werden. Eine Bitcoinzahlung bedeutet, dass Wert übertragen wird, so als ob man ein paar Kilo Gold von einem Ende der Welt zum anderen Ende rüber geschifft hätte. Das lässt sich nicht mehr ändern. Da ist wirklich Wert übertragen worden. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Deswegen sind solche Vergleiche nicht sinnvoll und leider ließt man solche Vergleiche ständig. Das ist sehr haarsträubend. Es ist natürlich schön, weil es plakativ ist. Das ist ein Problem, das Bitcoin hat, ist, dass es sehr viele Zahlen dazu gibt und aus denen lassen sich immer irgendwelche plakative Dinge berechnen. Aber das heißt nicht, dass sie immer sinn ergeben.

Spotlight: Worauf bezieht Ihr euch denn auf den Daten? Was sind gute und was sind nicht so gute Quellen? Du hast gesagt, dass du dich ja schon seit über einem Jahr damit auseinander setzt. Wie erkennt man als Laie eine gute Quelle. Gibt es da eine Empfehlung?

Stefan: Das ist wirklich gar nicht mal so einfach. Weil selbst wenn man sich wissenschaftliche Quellen anguckt, haben die teilweise haarsträubende Fehler. Ende 2018 gab es einen Artikel im Nature Science Client, also schon eines recht gut klingenden Journals. In diesem wurde geschrieben, dass wenn Bitcoin sich so weiter entwickelt, dann verursacht Bitcoin alleine eine Erderwärmung von 2 Gard Celsius. Diese zwei Seiten waren voller Verständnisfehler. Da hat jemand überhaupt nicht verstanden wie Bitcoin funktioniert, aber hat das in einem wissenschaftlich renommierten Journal veröffentlich und dieses Paper ging auch wahnsinnig durch die Presse. Einigen Leuten übten dann Kritik in Form von Leserbriefen und kurz danach wurde auch ein weiterer Artikel zu dem Thema im gleichen Journal veröffentlich, der das alles widerlegt hat und sagte, dass ist alles quatsch was da geschrieben wurde. Das kann man einfach so nicht sagen. Aber das ging natürlich nicht nicht durch die Presse, dass das alles Humbug war, schließlich macht das keine großen Schlagzeilen. Das macht es daher auch so schwierig. Es gibt aber schon ein paar Wissenschaftler, die sich damit gut beschäftigt haben, wie Z. B. in einer Studie der TU München von Christian Stoll, Lena Klaaßen, and Ulrich Gallersdörfer „The Carbon Footprint of Bitcoin“. Das ist ein relativ fundiertes Paper und findet man auch alles unter unserer Webseite unter „sources“. Dann gibt es noch ein Paper, das etwas neuer ist, das heißt „Life Cycle Assessment of Bitcoin Mining“ von Susanne Köhler and Massimo Pizzol und die nutzten auch relativ ähnliche Methoden. Selbst diese Paper haben noch einige methodische schwächen. Aber es ist das Beste, was wir momentan wissen über den CO2 verbraucht von Bitcoin Mining. Für die Schätzung wird primär errechnet wie viel Strom das Mining verbraucht. Hierbei gibt es zwei verschiedene Methoden. Einmal die Bottom-Up-Methoden und einem die Top-Down-Methode. Die Bottom-Up-Methode schließt von der Hashrate, der Rechenleistung beim Mining – diese ist ziemlich genau bekannt – und den aktuellen Geräten fürs Mining auf dem Markt auf den Stromverbrauch durch das Mining. Dieses Verfahren ist relativ genau. Dafür muss man aber eine Annahme treffen, wer welche Maschinen benutzt. Die alten Maschinen haben noch ein schlechtes Verhältnis zwischen Hashleistung und Joule, also der verbrauchten Energie. Das macht diese Methode ungenau. Die andere Methode ist die Top-Down-Methode. Hierbei wird der Belohnung an die Miner ausgegangen werden. Diese setzt sich aus den Transaktionskosten und den neu geminten Bitcoins zusammen. Die Belohung kann man einfach nachschauen und einfach in Dollar umrechnen. In der Theorie ist es nun so, dass die Miner so lange Mining betreiben, wie es sich finanziell lohnt. Also so lange, wie ihre Kosten nicht höher sind als der Wert der Belohnung ist, die ausgeschüttet wird. Wenn man die Belohnung und die durchschnittlichen Kosten pro KW/h kennt, dann kann man den Stromverbrauch wieder zurück rechnen. Diese Top Down Methode ist Tagesaktueller, weil sich der BTC-Preis ja ständig ändert, aber da kommen die Miner meistens gar nicht mit. In einer aktuellen Phase, in der der Bitcoinpreis schnell steigt, würden die Miner gerne mit allem Minen was sie haben. Jedoch kann man so schnell die Hardware gar nicht bauen. Deshalb steigt rechnerisch die verbrauchte Strommenge irre an, wenn Bitcoin steigt, was ja ca. alle 4 Jahre passiert. Und in Wirklichkeit entwickelt sich das Mining nicht so krass, weil die Hardware erst noch gebaut werden muss. Aber irgendwo dazwischen wird der wahre Verbrauch liegen.

Spotlight: Die Hashrate entwickelt sich ja relativ stabil im vergleich zum Preis. Das würde ja eher für die Bottom-Up-Methode sprechen oder nicht?

Stefan: Genau, die Wahrheit ist näher an der Bottom-Up-Methode, als an der Top-Down, aber liegt irgendwo dazwischen. Die moderneren Schätzungen sind meistens vom Cambridge Centre for Alternative Finance, das ist die Quelle, die wir für für unsere Webseite nutzen. Die machen eine Mittelung zwischen den beiden Verfahren. Wie genau die auf den Faktor kommen weiß ich leider auch nicht, aber die sage auch, dass die Bottom-Up-Methode das Minimus ist und das Maximum die Top-Down. Und irgendwo dazwischen wird dann halt der Wert geschätzt. Das ist eben nicht einfach zu sagen. Dazwischen ist eine riesige Lücke. Es weiß eben keiner wie viele Miner noch alte Maschinen angeworfen haben. Das kann man nicht genau wissen, aber man weiß eine eine grobe Ordnung. Wenn man den Grundverbrauch geschätzt hat, dann kann man eben gucken woher der Strom kommt. Und auch das machen wir wieder mit fundierten Schätzungen. Dabei ist es wichtig zu wissen, wo die Miner eigentlich sind. Die Miner aber sind meistens anonym und können überall sein. Aber es gibt natürlich schon Schätzung was woher kommt. Auch dabei gibt es verschiedene Methoden. Nach diesen Schätzungen schaut man in welchen Regionen wie viel Carbon bei der Energieerzeugern verbraucht wird. So bekommt man eine Schätzung für den Fußabdruck vom Bitcoin Mining. Wahrscheinlich ist das aber auch wieder eine Überschätzung. Die Minder nehmen ja gerade nicht den durchschnittlichen Strom, sondern den billigsten Strom, den es gibt. Und dieser ist billig, weil er überschüssig ist und ihn keiner haben will. Miner verbrauchen üblicherweise keinen Strom, der über 3 Cent kostet pro KW/h. Und wo gibt es solchen Strom? Z. B. bei einem großen Wasserkraftwerke in China, wo jedoch keiner hingezogen ist. Der Strom ist einfach da und die Miner sind dann die letzten Abnehmer. Und das sieht man in den Studien nicht so richtig. Dafür müsste man die Miner kennen und die müssten alles offen legen. Die haben irgenwelche Deals mit Stromherstellen und wollen sie auch nicht verraten, da die Miner auch eine Konkurrenz Situation untereinander haben. Daher ist es so schwer Daten zu kriegen. Von der Struktur wie das heute abgeschätzt wird, bin ich mir ziemlich sicher, dass der Fußbadruck überschätzt wird. Also auch die Zahlen auf unserer Webseite.

Spotlight: Noch ein Punkt zu der Ermittlung der Klimabelastung. Du hast gerade gesagt, dass die Miner möglichst profitabel arbeiten wollen und daher immer den günstigsten Strom nehmen. In Deutschland hat man noch recht stark im Kopf, ich weiß nicht, ob das richtig ist, das Kernkraftenergie deutlich günstiger ist, als Fossile- oder erneuerbare Energien. Müsste das nicht auch ein Faktor sein, sodass die Miner vor allem auf diese Quelle zurück greifen?

Stefan: Dazu weiß ich sehr wenig, aber ich habe kaum gehört, dass Miner Kernkraft fürs Mining nutzen. Es ist auch wieder ein spannendes Thema, also Kernkraft. Es wird in der Klimaszene stark diskutiert, ob man zur Kernkraft wieder zurück kommen sollte. Viele sagen, dass wir mit den erneuerbaren Energien nicht auskommen und Kernkraft ist dann das sauberste, was wir so kennen, wenn es ums Klima geht. Wenn man seine anderen Vorbehalte weg lässt – können wir uns dann wirklich noch aussuchen woher wir unsere Energie nehmen, wenn wir noch so weiter leben möchten, wie bisher und ohne dass das Klima kaputt zu machen? Viele sehen dann eben doch die Kernkraft als gute Energiequelle, aber das ist eine ganz andere Debatte. Einige Organisation, die wir uns angeguckt haben, wie die von Founders Pledge Climate Change Fund (z. B. Giving Green Earth, Founderspledge oder Effektiv Spenden), schätzten Kernkraft als sehr, sehr effizient ein und möchten die Entwicklung von Kernkraft voran treiben. Sie sagen, dass es ein Thema ist, das bis jetzt stark unterschätzt wurde von Klimaaktivisten, weil die das aus idiologischen Gründen nicht wollen. Aber es bietet eigentlich ganz viel potential was bis jetzt nicht ausgeschöpft wurde. Also deswegen ist es ein spannendes Thema. Aber ich kann dir nicht sagen, wie viele Miner Kernkraft nutzen. Dazu habe ich noch nichts gefunden.

Spotlight: Du hast es gerade schon angeschnitten. Wie kriegt man Bitcoin nun Klimapositiv? Bitcoin verbraucht viel Strom und dadurch wird CO2 erzeugt. Selbst wenn die Ergebnisse eher überschätzt werden kann man das nicht abstreiten. Wie kann nun Bitcoin ein positiven Einfluss zum Klimaschutz leisten?

Stefan: Ja, dazu muss man erstmal sagen, dass viele Bitcoiner der Meinung ist, dass Bitcoin schon so gut fürs Klima ist. Das ist die Gegenseite, die ich auch immer etwas verstörend fand, weil viele die Nachteile ganz abtun. Die sind überzeugt, dass Bitcoin das beste ist, was dem Klima je passieren konnte. Warm eigentlich? (Das ist eine gute Frage. 😀 Ich habe das daher auch mal zusammen geschrieben.) Dafür gibt es ganz viele Argumente, aber ich habe mal 5 rausgeschrieben, wieso Bitcoin positiv fürs Klima ist, ohne dass wir noch was tun müssen.

  1. Es könnte helfen erneuerbare Energien zu finanzieren. Ein typisches Problem ist, dass Sonnen- und Windenergie nicht immer da und der Stromverbrauch der Menschen nochmal ganz anders Schwankt. Das heißt, du musst viel zu viel Strom produzieren für die Momente, wenn der Strom gebraucht wird. Und da entsteht ein Finanzierungsproblem, weil der Strom eigentlich gar nicht benötigt wird. Das schöne ist, dass Bitcoinminer immer Strom brauchen. Es gibt tatsächlich (ich glaube) in Kalifornien Miner die sich als virtuelle Kraftwerke eingetragen haben. Die nutzten eine Art Arbitrage beim Strompreis. Sie nehmen den Strom immer zu einem festen Preis von z. B. 3 Cent pro KW/h ab. Diesen bezahlen den Strom als Flat schon im voraus und nehmen den Strom immer. In Wirklichkeit ist der hergestellte Strom etwas teurer, aber wenn Strom benötigt wird, z. B. in einer Strom-Rushhour und die Sonne scheint nicht, dann kann der Strom zurück gekauft werden. Dann wird der Strom eben nicht zum Minen genutzt. Das ist möglich, weil man die Hardware in einer Minute herunter fahren kann. Der nicht genutzte Strom verkaufen sie wieder für 20 Cent pro KW/h, statt 3 Cent. Also garantieren die, dass sich das Netz auf Dauer lohnt und können jederzeit abschalten, wenn jemand anderes den Strom braucht. Das ist eine Möglichkeit, um erneuerbare Energien zu finanzieren. Wie gut das funktioniert und ob es die Langzeit Effekt hat, die man glaubt – keine Ahnung.
  2. Viel naheliegender ist, dass die Minder schlechte Subventionen abschaffen. Viele Länder subventionieren fossile Energien – da fließt wahnsinnig viel Geld rein. In diesen Ländern kommen die Miner hin und kaufen dann da den Strom zu einem viel zu günstigen Preis. Daher sagen viele Staaten, dass sie die Subventionen unterlasse, weil sie möchten ja nicht die Miner unterstützen oder sie verbieten das Mining, aber in beiden Fällen wird nicht mit den Fossilen Energien mining betrieben.
  3. Bitcoin ersetzt ja etwas, z. B. ist es ein Ersatz zu Gold. Goldminen erzeugen ja auch ganz, ganz viele Umweltproblem. Zum einen wird auch viel Energie benötigt und zum Anderen werden sehr umweltschädliche Chemikalien genutzt. Auch werden Leute und deren Gesundheit ausgebeutet. Wenn Bitcoin immer wertvolle wird, dann wird der Marktanteil von Bitcoin steigen und Gold an Wert verlieren, sodass sich das Gold schürfen nicht mehr lohnt und dann wird weniger Gold geschürft. Bitcoin mining verdrängt also eventuell das Goldschürfen. Aber was ist schlimmer? Die einen sagen so, die anderen so, aber es ist auf jeden Fall so, dass Bitcoin etwas anderes schlechtes verdrängen wird, z. B. Gold.
  4. Dann gibt es allgemeinere oder philosophischere Argumente, wieso Bitcoin gut für die Umwelt sein könnte. Zum einen ist es eine Technologie die viele Leute dazu motiviert ihr Geld nicht auszugeben, sondern in Bitcoin zu sparen. Daher kann man argumentieren, dass man die Leute vor Überkonsum geschützt werden. Der Wert in Bitcoin wird durch seinen deflationären Charakter eher mehr Wert als weniger. Das könnte weniger Konsum in der Welt hervorrufen und damit einen positiven Beitrag für die Umwelt schaffen.
  5. Bitcoins hatte schon immer den Ansatz eine Alternative zum klassischen Finanzsystem zu sein. Und dieses basiert ja ganz massiv auf Schulden, die eine gewisse Dynamik haben, bei der man Argumentieren kann, dass der Wachstum eingebaut ist. Die Gläubiger wollen die Schulden mit Zinsen zurück gezahlt bekommen und das ist nur mit Wachstum möglich. also muss die Wirtschaft wachsen. Aber wenn wir mit Bitcoin von diesem System weg kommen und wieder zu einem System aus hartem Geld kommen, so nennt man das, dann könnte man sagen, dass das ein Weg zu einer Gesellschaft ohne Wachstumszwang ist. Das Argument ist aber sehr wage. Es gibt da schon Leute, die haben sich viele Gedanken gemacht, aber ich würde sagen, dass es sehr spekulativ ist. All diese Sachen kann man gut argumentieren, aber ich finde nicht, dass man das so klar sagen kann und dadurch Bitcoin gut für die Umwelt ist. Naja, aber viele Bitcoiner sehen das so.

Es gibt also gute Argumente, wieso Bitcoin langfristig gut für das Klima sein kann, aber im Moment sind die besten Schätzungen eher negativ. Es kanns ein, dass Bitcoin alles verbessert, aber das sieht aktuell noch nicht so aus und daher möchten wir jetzt etwas ändern. Und wenn wir über das Klima reden, dann ist es ja so, dass alle sagen, dass es ums Jetzt geht. Es ist wichtig, was jetzt oder in den nächsten 5 bis 10 Jahren gemacht wird. Also wir müssen am besten jetzt handeln und die CO2 Emissionen herunterfahren, weil es eigentlich schon zu spät ist. Und dann ist die Frage, was können wir dafür tun? Und wenn man sich mit Bitcoin beschäftigt, dann wird man feststellen, dass man Bitcoin nicht verändern kann. Bitcoin ist wie eine Naturgewalt – es existiert halt. Aber wir als Bitcoiner können vielleicht schon was machen. Und unser Ansatz ist es zu sagen: Bitcoin ist Geld, hat vielen Leuten Geld gebracht und ganz viele Dinge im Klima Aktivismus brauchen Geld. Kann man dann nicht sagen, dass wir gerne Geld spenden an Organisationen, die was positives Tun, die einen Impakt haben. Das ist ja ein Ansatz, den auch alle andere Industrien haben. Das ist nichts neues, was nur Bitcoin betrifft. Es hat nur Bitcoin noch gefehlt. Andere Industrien bezahlen auch einfach dafür, dass die sich dann Klimaneutral nennen können. Das ist klassische CO2 Kompensation. Und die Frage ist: Können wir das nicht auch machen? Wir möchten Bitcioner dazu bewegen in sinnvolle Zwecke zu spenden, die helfen können, den Klimawandel zu verlangsamen.

Spotlight: Sehr spannend. In welchen Bereich bewegt man sich da? Angnommen ich bin kleinanleger und habe mal 100€ in Bitcoin investiert. Wie schädlich ist das für die Umwelt und was muss man am Ende tun, um mit gutem Gewissen Bitcoin zu halten.

Stefan: Dafür haben wir einen Rechner auf unserer Webseite gebaut. Das können wir gerne einmal zusammen machen. (Man sieht hier wie viel CO2 von Bitcoin insgesamt seit November 2015 ca. verursacht wurde. Wir betrachten in der Rechnung für den Anleger einfach mal den Zeitraum von November 2015 bis heute.) Vor 2015 haben wir leider keine Zahlen, aber das spielt auch kaum eine Rolle, weil da Bitcoin noch so klein war und somit auch das Mining. Aber in dem Zeitraum sind insgesamt nach den Schätzungen ca. 100 Megatonnen CO2 ausgestoßen worden. Jetzt sagen wir mal, dass ich sehr schlau war und schon 2015 100€ in Bitcoin angelegt habe. Da wird der Preis bei ca. 200$ gewesen sein, als haben wir ca. einen halben Bitcoin gekauft. Den habe ich ca. sechs Jahre gehalten und jetzt ist er ungefähr 20.000€ wert – vielleicht auch etwas mehr. Dann kannst du das jetzt in den Rechner eingeben, dass du einen halben Bitcoin von 2015 bis heute gehalten hast. Das Ergebnis ist, dass dadurch in den letzten sechs Jahren ca. 2,8 t CO2 verursacht wurden. Wir sehen sehen es so, dass das Halt von Bitcoin den Impakt hat und nicht die Transaktionen, weil die Miner schürfen ja dann, wenn es sich lohnt. Und es lohnt sich besonders dann, wenn der Preis von Bitcoin hoch ist. Transaktionen ändern daran gar nichts. Je höher der Preis, desto mehr Rechenleistung wird auch in Bitcoin investiert. Der Preis wird durch die Leute gesteigert, die Bitcoin halten und zusätzlich halten wollen. Man selbst beeinflusst natürlich den Preis nur ein wenig, aber das kann man ja ausrechnen, wie viel das ist. In unserem Beispiel haben wir 0,5 Bitcoin von 2015 bis heute gehalten, dann hätte ich aus100€ ca. 20.000€ gemacht und ich hätte 2,8 t CO2 ausgestoßen. Diese 2,8 t CO2 zu kompensieren kostet ungefähr 60€ wenn man es ganz klassisch kompensiert mit einem Anbieter wie myclimat. Eine Tonne CO2 zu kompensieren kostet nämlich ca. zwischen 20 und 30 €. Manche Organisationen berechnen ein bisschen mehr und andere etwas weniger. Also muss man mit ca. 60€ rechnen, um die 2,8 t auszugleichen und ich habe in der Zeit aus 100€ ca. 20.000€ gemacht. Dann kann man sich sicher sein, dass die Bitcoins, die man gehalten hat, sauber sind. Das ist aber nicht der effizienteste Ansatz. Wenn man sich die Ergebnisse von effectiv altruism anschaut, dann gibt es viel Funds, die sich damit auseinander setzten, wie man mit möglichst wenig Geld möglichst viel Impakt erreichen kann, um das Klima zu verbessern. Da gibt es Organisationen, wie die Clean Air Task Force, die machen vor allem Lobbyarbeit und forschen auch. Wie sehen mögliche Lösungen aus, um das Problem des Klimawandels wirklich zu verhindern? Und dann versuchen sie die Politik zu beeinflussen, damit fürs Klima sinnvolle Entscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel sind nach ihnen die Atomkraftwerke eine unterschätzte Möglichkeit. Daher sollten wir als Gesellschaft diese nicht verdammen, sondern gucken, wie wir sie sicherer machen können. Oder ein anderer Ansatz ist Carbon Removal, also der Vorgang, dass CO2 wieder aus der Atmosphäre entzogen wird. Das ist aktuell noch sehr teuer, aber könnten wir sehr viel Forschung reinstrecken und dann wird es mit den Fortschritten sehr viel günstiger werden. Und wir machen das deutlich schlauer und stecken da nicht alleine Geld rein, sondern überreden Staaten auch Geld in diese Projekte zu strecken. So kann man pro € ganze 28€ Fördergelder des Staates erreichen, weil wir die Steuerzahler dazu kriegen, dass die das quasi mitfinanzieren. Die haben alle Track Records auf denen die Zahlen beruhen und es sind alles nur Schätzungen – das ist das Problem bei dem effizienten Ansatz. Eine klare Messung ist nicht möglich, sondern es wird mit vergangenen Werten geschätzt. Ein typischer Wert, der bisher ca. erzielt werden konnte ist, dass pro € ca. eine Tonne CO2 eingespart wurde. Aber das ist natürlich spekulativer und Geschmackssache, was einem besser gefällt. Ich würde sagen: Nimm diese Rechnung und betrachte die ausgestoßenen 2,8 t CO2. Klassisch müsste ich mit 60 € kompensieren. Dann spende ich einfach 60 € an eine klassische Organisation und nochmal 60€ an eine sehr effektive Organisation, die dann versuchen 60 t CO2 einzusparen. Vielleicht klappt das nicht, aber vielleicht auch schon. So habe ich eindeutig einen positiven Effekt und bin mit meinem Bitcoin „netpositiv“.

Spotlight: Vielen Dank für das Aufzeigen der Strategien wie Bitcoinhalter einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten können.

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