Unter aller Sau – die lange Liste von Julia Klöckners Fauxpas

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Julia Klöckner macht Schlagzeilen und das nicht selten. Ein Skandal jagt den nächsten, aber die amtierende Landwirtschaftsministerin scheint ihre regelmäßigen Blamagen am wenigsten zu stören. Klöckner betreibt mehr Schleichwerbung als Politik und die Liste ihrer Pannen ist erschreckend lang. Porträtieren lässt sich die Ministerin allerdings gerne als Mutter aller Landwirt:innen (Gendern vergisst ihre neue Kampagne unter dem Hashtag #fairplayfürbauern, wir haben dies an den passenden Stellen ergänzt) und schreibt sich faire Bedingungen in der Landwirtschaft auf die Fahne. „Landwirt[:innen] und Lieferant[:innen] haben ein Recht auf Verlässlichkeit“, so ein Video vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, welches die Ministerin vergangene Woche retweetet. Ich frage mich, wo die Verlässlichkeit bleibt, wenn Studien gefälscht und Schleichwerbung gemacht werden.

In meiner Antrittsrede habe ich die spürbare Vorfreude im Ministerium auf die gemeinsamen Herausforderungen in den…

Gepostet von Julia Klöckner am Mittwoch, 14. März 2018

Von der im Beitrag angesprochenen Innovation fehlt bis heute jede Spur, ebenso wie vom familiärem Miteinander, denn austauschen tut sich Julia Klöckner nur mit Gleichgesonnenen. Auf Instagram und Facebook blockiert sie Tier- und Umweltschutzaktivist:innen ohne ersichtliche Gründe, dafür lässt sich die Ministerin öffentlich neben dem Nestlé Deutschland Chef ablichten und bekundet ihre Sympathie. 2019 trat sie in einem Video mit Marc-Aurel Boersch auf und würdigt das umstrittene Unternehmen für die Reduktion des Zucker-, Salz-, und Fettgehaltes seiner Lebensmittel. Eine Empörungswelle brach aus, Klöckner jedoch verteidigte das Video und bezeichnete Kritiker als „Hatespeaker“. Karl Lauterbach, Bundestagsabgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion twitterte zurecht:

Nur ein Jahr später sieht sich der Getränkehersteller Lemonaid mit der Forderung konfrontiert, seinen Erfrischungsgetränken mehr Zucker zuzusetzen, um sie unter der Bezeichnung Limonade verkaufen zu dürfen. Dafür bedarf es laut Verordnung mindestens 7 Gramm Zucker auf 100 Milliliter Flüssigkeit. Die Forderung lässt sich nicht wirklich mit der geheuchelten Progesundheitspolitik Klöckners vereinbaren – sie selbst zeigt sich zunächst allerdings wenig verantwortlich. Erst Anfang dieses Jahrs beugt sich die Lebensmittelbuchkommission, nachdem mehrere Getränkehersteller der Ministerin ordentlich Druck machen mussten.

Im vergangenen Jahr stand Julia Klöckner am Herd und brutzelt neben Fernsehkoch Johann Lafer Frikadellen aus Billigfleisch. Die Verwendung von Hack der Haltungsform eins (diese Klassifizierung bietet ein Streitthema für sich, denn Klasse 1 kennzeichnet entgegen der Intuition die schlechteste Haltungsform) lässt sich nicht so recht mit den großen Worten der Ministerin vereinbaren, sich für mehr Tierwohl einsetzen zu wollen. Das verwendete Fleisch kommt laut Label aus „Stallhaltung“, konkret heißt das, dass einem Schwein 0,75 m² Platz zur Verfügung stehen. Dies entspricht nicht mal der Größe einer Duschwanne. Als ob das allein nicht schon Fauxpas genug wäre, wird das Video, welches die Bild Zeitung im vergangenen Mai ausstrahlte, von Kaufland gesponsert. Der Shitstorm für die Ministerin folgte prompt, auch zahlreiche Politiker*innen äußerten sich kritisch. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft versuchte sich in Schadensbegrenzung. In der Stellungnahme der Landwirtschaftsministerin heißt es, das Sponsoring durch Kaufland sei der Politikerin nicht bekannt gewesen. Sie habe in dem Video auf das Thema Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen wollen und sich für den Konsum regionaler Produkte ausgesprochen, so die Ministerin. Wenig glaubwürdig, jedenfalls wäre es nicht das erste Mal, dass Klöckner Werbung macht.

Stallhaltung von Hausschweinen

Als Foodwatch die Manipulation einer Vergleichsstudie von Nährwertkennzeichnungsmodellen durch das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufdeckt, wurde die Liste von Klöckners Fehltritten 2020 noch länger. Der Vorwurf lautet, das Ressort von Julia Klöckner habe „die Einführung einer erweiterten Nährwertkennzeichnung auf Fertigprodukten absichtlich hinausgezögert, indem es eine wissenschaftliche Studie vor der Veröffentlichung stark überarbeitete.“ Das Max-Rubner-Institut hatte in einer Studie verschiedene Nährwertkennzeichnungsmodelle untersucht und empfahl in der Originalstudie zwei dieser Modelle, beispielsweise den Nutri Score, da diese Kaufentscheidungen für gesunde Produkte erleichterten.

Klöckner teilte jedoch öffentlich mit,  „dass keines der bestehenden Systeme eine optimale Lösung für die Verbraucher[:innen]“ darstellen würde. Diese Aussage widersprach offensichtlich den Forschungsergebnissen. Die Ministerin redete sich wieder einmal raus und kritisierte, dass die Studie nicht gemäß der Aufgabenstellung des Ministeriums durchgeführt worden wäre. Somit wurde die Einführung des Nutri Scores unnötig hinausgezögert und die Kennzeichnung ist bis heute für Hersteller:innen nicht verpflichtend. Von den Verbraucher:innen beschreibt jedoch die Mehrheit den Nutri Score als intuitiv verständlich und als Klarheit im Nährwertdschungel. Trotzdem möchte Klöckner die Unternehmen nicht verpflichten und setzt auf Selbstverantwortung.

Doch nicht nur gegenüber Konsument:innen patzt unsere Landwirtschaftsministerin, sondern besonders folgenschwer versagt sie in puncto Tierwohl. Sie labelt sich als Diplomatin zwischen Tierschutzverbänden und Landwirt:innen, ignoriert tatsächlich aber grauenvolle Bedingungen in der Schweinezucht. Vor drei Jahren entschied sich die große Koalition für einen Aufschub des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration. Wie grausam diese Praxis ist, sagt bereits der Name. Obwohl das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit die Immunokastration, also eine zweifache Impfung gegen den unerwünschten Ebergeruch, als tierfreundlichste Alternative ausdrücklich empfiehlt, plädiert die Ministerin für einen Aufschub des Verbots der bisherigen Praxis. Dazu lud sie zu einem nicht öffentlichen Treffen mit Vertreter:innen der Agrar- und Lebensmittelindustrie ein. Sprecher:innen von Tierschutzorganisationen durften nicht mit an den Tisch.

Dass Innovationsbestreben anders aussieht braucht nicht gesagt zu werden. Klöckner verpasst es, unsere Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen und zeigt sich wieder einmal als verlängerter Arm der Lebensmittelindustrie. Sie verweigert den Dialog mit denjenigen, die hinschauen wo ihr Ministerium weg schaut. Schlimmer noch, denn 2018 forderte Klöckner härtere Strafen für Stalleinbrüche von Aktivist:innen. Obwohl dank dieser laufend Verstöße gegen Haltungsvorgaben aufgedeckt werden, hetzt die Ministerin gegen Organisationen wie Peta. Sie beweist am laufenden Band ihre Unfähigkeit zukunftsweisende Politik zu betreiben und verspielt den letzten Funken, der von ihrer Glaubwürdigkeit noch übrig war, traurigerweise auf Kosten von Millionen von Schweinen.

Deren Situation wird noch miserabler, nachdem sie 2019 rückwirkend Kastenstände legalisierte. Dafür wurde die Tierschutznutztierhaltungsverordnung überarbeitet und der Paragraph, welcher festlegt, dass es „Sauen im Kastenstand möglich sein [muss], ihre Gliedmaßen und Köpfe im Liegen voll auszustrecken“ gestrichen. Das heißt, dass diese grausame Haltungsform weiter gängige Praxis bleibt.

In Kastenständen gehaltene Sauen zeigen ein deutlich erhöhtes Risiko für Erkrankungen und Verhaltensstörungen. Bewegung ist den Tieren nicht wirklich möglich und ihr Leiden enorm. Die Ministerin stört sich daran jedoch nicht und legalisierte Tierquälerei ohne mit der Wimper zu zucken.

Als Politikerin stellt Klöckner einen Totalausfall dar. Sie wird den Aufgaben ihres Ressorts nicht gerecht und verschläft eine für uns und die Umwelt dringend notwendige Transformation des Agrarsektors in Richtung nachhaltigen Wirtschaftens. Skandale bei Tönnies und Co zeigen (wenn auch nur Bruchteile der) Schattenseiten der Schweineindustrie. Verschlafene Reformen lasten besonders auf dem Rücken der Tiere, verschärfen aber auch prekäre Arbeitsplätze und Umweltfolgen. Ernährung und Landwirtschaft sind zentrale Knotenpunkte auf dem Weg zu wirksamerem Umweltschutz aber erkannt hat Julia Klöckner das offensichtlich nicht. Damit blockiert sie Fortschritt zum Wohle der Tiere, unserer Gesundheit und der Landwirt:innen.

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