Wie sich die UEFA blamiert

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Skandale vergehen, der Fußball bleibt – es gibt wahrscheinlich nur eine Aussage, die alle Fußballfans in ganz Europa eint: Der Sport ist zu tief verankert, als dass er durch temporäre Fauxpas dauerhaft Schaden nehmen könnte. Doch dieser tiefverwurzelte Glauben geriet in den letzten Tagen und Wochen immer stärker ins Wanken. Schuld daran ist die Union of European Football Association (UEFA). Ein Skandal jagt den anderen, es reicht von Menschenrechtsverachtung über Verharmlosung der Coronapandemie bis hin zu Homophobie. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Die UEFA blamiert sich reichlich und gefährdet damit den gesamten Fußball.

Die UEFA wurde im Jahr 1954 in Basel gegründet und hatte ihren Sitz zunächst in Paris, anschließend in Bern und zog zuletzt nach Nyon in der Schweiz. Die höchste Position hält der Präsident inne, welcher alle vier Jahre gewählt wird und zugleich automatisch Vizepräsident der FIFA ist. Neben dem Präsidenten gibt es noch den Generalsekretär (auch CEO), welcher für die Erledigung des Tagesgeschäfts zuständig ist. Unterstützt werden Präsident und Generalsekretär durch die Administration, die aus den vier Bereichen Wettbewerbe, Nationalverbände, Finanzen und Marketing besteht. Heute gehören der UEFA 55 Landesverbände an, nur Monaco und die Vatikanstadt sind keine Mitglieder. Alle diese Mannschaften dürfen theoretisch an der UEFA Champions League teilnehmen, solange sie sich in ihren eigenen Ligen dafür qualifizieren.

Zwar bekleckerte sich die UEFA noch nie wirklich mit Ruhm, sie schaffte es aber viele Jahr ohne große Skandale ihrer Arbeit nachzugehen. Die eigentliche Talfahrt begann am 26. Januar 2007 als Ex-Fußballer Michel Platini in einer Kampfabstimmung gegen den amtierenden Präsidenten Lennart Johansson zum Präsidenten der UEFA gewählt wurde. Damit war Johansson der erste Präsident, der aktiv abgewählt wurde. Platini hingegen setzte sich für kleinere Verbände ein und sorge dafür, dass diese mehr feste Startplätze in der Champions League erhielten. Auch seine Idee, die Europameisterschafts-Endrunde mit 24 statt 16 Teilnehmern durchzuführen stieß auf Zustimmung und so wurde er 2011 im Amt bestätigt.

Platini und der Beginn der Korruption

Bei seiner Wahl gab es jedoch kritische Stimmen, die der Ansicht waren, er habe die Wahl hauptsächlich Verbänden aus Osteuropa zu verdanken. Anlass für diese Spekulationen war der Umstand, dass wenige Woche nach Platinis Wahl die Europameisterschaft 2012 an die Außenseiter Polen und die Ukraine vergeben wurde. Hier zeigte die UEFA zum ersten Mal, das bei ihnen Menschenrechte nicht unbedingt an obserter Stelle der Prioritätenliste stehen. Unter anderem Ex-Nationalspieler Philipp Lahm kritisierte die UEFA und Platini dafür, gegenüber der Situation der Menschenrechte in der Ukraine nicht klar genug Stellung bezogen zu haben. Das Muster sollte sich durch die nächsten Jahre fortsetzen.

Doch zunächst sorgte Platini erneut für Aufregung, als er für die Vergabe der WM 2022 an Katar stimmte, sich aber kurz danach dafür einsetzte, das Turnier aufgrund der hohen Temperaturen im Winter stattfinden zu lassen. Vermutlich wurde diese Entscheidung weniger von fußballerischer Logik und mehr von finanziellen Anreizen getrieben, denn nur wenige Wochen später wurde Platinis Sohn Europa-Chef der Gruppe Qatar Sport Investments. Daraufhin begannen einige Journalist*innen etwas tiefer zu graben und wurden fündig. Unter der Führung von Platini hatte die UEFA seit 2008 die Herstellung mehrerer Musikstücke, u.a. der offiziellen Hymne der UEFA Europa League, in Auftrag gegeben – bei Platinis Schwiegersohn Yohann Zveig. Auch im Rahmen der Weltmeisterschaft in Brasilien nahm Platini eine Uhr im Wert von ca. 25.000 Dollar als Geschenk vom brasilianischen Verband an und als das an die Luft kam, weigerte er sich, die Uhr zurückzugeben.

Seine Karriere beendete Platini abrupt im Jahr 2015, als seine Verwicklung in den Korrputionsskandal um den ehemaligen FIFA Präsidenten Sepp Blatter bekannt wurde. Dabei ging es unter anderem um eine Überweisung von zwei Millionen Schweizer Franken von Blatter an Platini im Febraur 2011. Platini wurde zunächst für 90 Tage in seinem Amt gesperrt. Es folgte eine Reihe an Klagen, die auf der Annahme basierten, Platini habe die Zahlung erhalten, um Blatter bei seiner Wahl zum FIFA Präsidenten 2011 zu unterstützen, die Ethikkommission urteilte jedoch, dass es sich dabei nicht um Korruption handelte, sondern lediglich um einen Interessenkonflikt. Erst 2016 trat Platini vom Amt des Präsidenten zurück und hinterließ einen zutiefst von Korruptionsvorwürfen zerrütteten Verein, der nun vor der großen Aufgabe stand, das Vertrauen der Menschen in die eigene Institution wieder zu erlangen.

UEFA betreibt „Greenwashing“ bei Werbung für EM

Sprung ins Jahr 2021: Die Europameisterschaft, die im Jahr zuvor aufgrund der Covid-19 Pandemie verschoben werden musste, soll nachgeholt werden und das mit einem ganz neuen Konzept. Anstelle eines Gastgeberlandes, findet diese EM in elf Städten über dem ganzen Kontinent bis nach Asien verteilt statt. Aus Sicht von Umweltschutz und Nachhaltigkeit klingt das nach einer ganz schlechten Idee. Allein die Reisetätigkeit während der EM wird Hunderttausend Tonnen CO2 verursachen. Die UEFA redet sich raus und spricht stattdessen von der „bis dato umweltfreundlichsten Endrunde„. Erreichen will der Verband das durch Investition in diverse Umweltschutz- und Kompensationsmaßnahmen, wie z.B. der Versorgung ländlicher Gegenden in Ruanda mit energieeffizienten Kochstellen oder dem Pflanzen von Bäumen in Baku und Amsterdam. Außerdem schütze das neue Format Ressourcen, da weniger neue Stadien und Infrastuktur gebaut werden müsse. Auch die UEFA hat erkannt, dass Umweltschutz im Leistungssport wie in allen anderen Bereichen der Gesellschaft an Bedeutung gewinnt. Ohne Maßnahmen zum Klimaschutz bekommt ein Großevent in der heutigen Zeit ein Image-Problem – etwas das sich die UEFA nicht leisten kann. Trotzdem bleibt das Bauen von Kochstellen in Afrika „Greenwashing“ und die Veranstaltung im Kern was sie ist: umweltverschmutzend.

Verantwortungsloser Umgang mit der Coronapandemie

Es ist ein nervenaufreibende Achterbahnfahrt für Faußballfans aus ganz Europa in den letzten Tagen vor der EM. Die Nerven scheinen auch bei der UEFA blank zu liegen, dann nun legt der Verband eine Ignoranz an den Tag, der selbst den unerschütterlichsten Fans die Sprache verschlägt. Während sich die meisten Länder gerade erst von den Auswirkungen der Coronapandemie erholen oder dabei sind zu überlegen, wie sie die Ausbreitung der ansteckenden Delta-Variante verhindern können, reisen Mannschaften mit ihrem ganzen Tross, Fans und Journalisten kreuz und quer durch Europa. Man sollte meinen, das letzte Jahr habe oft genug gezeigt, wie schnell sich das Virus erneut ausbreiten kann, doch die UEFA scheint davon nichts mitbekommen zu haben. Während in England die besorgniserregende Delta-Variante die Infektionszahlen erneut in die Höhe treibt, droht die UEFA London mit dem Entzug des Finales, wenn keine Ausnahmeregelung geschaffen wird, um das Spiel mit 10.000 Zuschauer*innen stattfinden zu lassen. Generell scheint die UEFA Corona nicht wirklich ernst zu nehmen, wie man an den lächerlichen Hygienmaßnahmen in München sieht. Die FAZ schreibt dazu: „Entweder die UEFA-Führung hat nicht verstanden, was in der Welt seit Frühjahr 2020 geschieht, oder sie setzt aus Eigeninteresse bewusst das Wohlergehen und gar das Leben vieler Menschen aufs Spiel.“

Menschenleben scheinen in der Tat eine nebensächliche Sache für die UEFA zu sein. Beim Eröffnungsspiel der EM Dänemark gegen Finnland bricht der dänische Spieler Christian Eriksen zusammen und muss auf dem Platz wiederbelebt werden. Für einige Sekunden ist die ganze Welt in Schrecken erstarrt, manche weinen, andere beten. Als klar wird, dass der 29-jährige bei Bewusstsein ist und vom Platz gebracht wird, stellt die UEFA die beiden Teams vor die Entscheidung, entweder am selben Abend weiterzuspielen oder das Spiel am folgenden Mittag zu beenden. Damit setzten sie nicht nur die Spieler, die wenige Minuten zuvor um das Leben eines ihrer Teammitglieder bangten unter immensen Druck, sie stellten die Fortsetzung des Spiels am Samstagabend auch ausschließlich als Wunsch der beiden Mannschaften dar. Dänemarks Nationaltrainer Kaspar Hjulmand sagte daraufhin: „[es ist] völlig falsch zu glauben, dass wir gekommen sind und gesagt haben, dass wir gern weiterspielen würden.“ Der gefühlskalte und ignorante Umgang der UEFA mit dem schrecklichen Beinahetod eines Nationalspielers erschütterte Fans weltweit und ließ immer mehr Kritik am Verband laut werden.

Kein Platz für Toleranz und Diversität

So unter anderem an der Werbung, die am Rande des Spielfelds eingeblendet wird. Öffentlich spricht sich die UEFA gegen Diskriminierung von Minderheiten aus, doch die Sponsoren der EM sind Unternehmen, die diese beworbenen Werte nicht teilen. Darunter ist Qatar Airways, die staatliche Fluglinie eines Landes, welches Homosexualität nicht nur als kriminellen Akt verurteilt sondern auch auch durch die islamistische Terror-Organisation Hamas in Gaza Homosexuelle ermorden lässt und beim Bau der Stadien für die WM 2022 bereits 6500 Menschen durch Fahrlässigkeit bei Arbeitssicherheitsmaßnahmen getötet hat. Ein weiterer umstrittener Sponsor ist die russische Firma Gazprom, welche zu über 50% dem russischen Staat gehört. Dadurch trägt das Unternehmen indirekt zur Durchsetzung Putins Anti-Homosexuellen-Politik, der Niederschlagung von Demos und der Vergiftung von Kreml-Kritiker Nawalny bei. Und zuletzt TikTok, die beliebte Videoplattform aus China, die systematisch jene Inhalte zensiert, die sich für Rechte von Homosexuellen einsetzen.

„Was die UEFA propagiert, sind nichts als hohle Phrasen“

Wenzel Michalski, Deutschland-Chef von Human Rights Watch

Diese Aussage bestätigte die UEFA dann auch noch mit Bravur, als sie den Antrag des Münchener Oberbürgermeisters ablehnten, das Münchener Stadion beim Spiel Deutschland gegen Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten. Angedacht war die Aktion als Zeichen gegen das zuletzt in Ungarn verabschiedete Gesetz, welches „Werbung“ für Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen bei Minderjährigen verbietet und damit weit in die Informations- und Menschenrechte eingreift. Die UEFA verbot die Beleuchtung des Stadions mit dem Argument, dass es beim Fußball nicht um Politik gehe. Tatsächlich ist aber genau dieses Verbot ein viel politischeres Zeichen als die Regenbogenbeleuchtung es je hätte sein können. Die UEFA stellt sich damit eindeutig auf die Seite derjenigen autoritären Staaten, die aktiv gegen Frauen, Schwule und Andersdenkende vorgehen. Der Verband akzeptiere Staatsunternehmen aus China, Katar und Russland als Sponsoren, störe sich aber an „Farben des Regenbogens als Symbol von Freiheit und Vielfalt“, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der selbst mit einem Mann verheiratet ist.

Dabei soll es im Fußball doch um Menschen, Fairness und Toleranz gehen. Zumindest war das mal der Gedanke des Weltsports. Diese Zeiten scheinen lange zurück zu liegen. Die UEFA blamiert sich mit Ignoranz gegenüber Spielern und Fans, der Verharmlosung der Coronapandemie, tritt Menschenrecht mit Füßen und lässt korrupte Funktionäre jahrelang im Amt verweilen. Mit Werten von Toleranz und Offenheit hat das nichts mehr zu tun. Wer sich noch mit dem Fußball identifizieren will, muss sich von der UEFA distanzieren. Die Frage bleibt, wie laut es noch knallen muss, damit der Verband versteht, dass er mit seinem Verhalten auf dem besten Weg ist, einen ganzen Weltsport in die Bedeutungslosigkeit zu drängen.

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