„Unsere Artikel bei spotlight.blog sind fast ausschließlich negativ. Wir kritisieren eigentlich immer. Lass mal eine positive Woche starten“. So oder so ähnlich teilte Joshua uns seine Gedanken bei einem der letzten Redaktionstreffen mit. Die Idee kam gut an. Schaut man mal, welche Beiträge wir in den letzten Wochen veröffentlicht haben, findet sich in diesen tatsächlich einiges an Kritik. Die deutsche Regierung verweigert einen finanziellen Ausgleich für namibische Völker, Julia Klöckner wird bezüglich ihrer Politik als Totalausfall bezeichnet, die Genderunterschiede sind eh zu groß und die UEFA blamiert sich nur noch. Stimmt vielleicht alles. Dennoch stellt sich die Frage: Warum kritisieren wir eigentlich so gern? Welche Nachrichten interessieren uns? Das Weltgeschehen können wir nicht beeinflussen. Welche Nachrichten wir konsumieren und intensiv verfolgen dagegen schon.
In einer Welt, in der wir mal eben unser Smartphone und jegliche Neuigkeiten auf Social-Media-Plattformen checken, haben wir zu jeder Zeit und an (fast) jedem Ort die Möglichkeit zu erfahren, was gerade so passiert. Dass unser Nachrichtenkonsum nicht immer bewusst geschieht und durch viele Faktoren beeinflusst wird, liegt auf der Hand. Auch, dass negative Nachrichten uns wahrscheinlich weniger guttun als positive. Forschende in der USA konnten nach den Bombenanschlägen beim Boston Marathon im Jahr 2013 zeigen, dass der Konsum von Medien, welche Bombenanschläge thematisieren, zu vermehrtem Stress führt. Wer sich nach dem Anschlag sechs Stunden oder länger der Berichterstattung aussetzte, wies mehr akute Stresssymptome auf – sogar mehr als diejenigen, die sich zum Zeitpunkt der Explosion am Ort des Geschehen aufhielten. Auch während des Beginns der COVID-19-Pandemie zeigten chinesische Bürger:innen mit einem hohen Medienkonsum erhöhte Stress-, Angst- und Depressionswerte. (Dies galt in diesem Zusammenhang allerdings nicht für wissensbasierte Nachrichten oder Experteninterviews.) Zu viele negative Nachrichten tun uns also nicht gut. Trotzdem sind die Medien voll davon. Und irgendwie scheinen sie uns auch anzuziehen. Warum ist das so?
„Good News are Bad News. Bad News are Good News“
Der Negativitätsbias oder auch Negativitätseffekt ist in zahlreichen Forschungen belegt worden und besagt, dass wir unsere Aufmerksamkeit eher auf die negativ erscheinenden Dinge richten, während wir die positiven nur sehr eingeschränkt oder sogar gar nicht wahrnehmen. Ein kleines Wörtchen an Kritik lässt uns viel mehr an uns zweifeln als dass mehrere lobende Worte uns glücklich stimmen. Unangenehme Gedanken, Emotionen oder soziale Interaktionen, aber auch schädliche bzw. traumatische Ereignisse haben bei gleicher Intensität einen größeren Einfluss auf unseren psychischen Zustand, unsere Kognitionen und unser Verhalten als neutrale oder positive Faktoren. Nachrichten, die von Krieg, Verbrechen oder Kritik handeln sind unserem Gehirn also wirklich lieber. Wir erinnern dieses auch besser. Was früher vielleicht einmal sinnvoll war, als wir uns noch genau merken mussten, welche Beeren giftig sind und wo sich gefährliche Raubtiere rumtreiben, beeinflusst heutzutage unsere Nachrichtenauswahl.
Eine internationale Studie mit 1135 Probanden sechs verschiedener Kontinente konnte zeigen, dass beim Schauen negativer Nachrichten des Senders BBC World (z.B. wie eine peruanische Stadt niederbrannte) die Herzfrequenz stärker variiert und auch die Leitfähigkeit der Haut größer ist als bei guten Nachrichten (z.B. Freilassen von Gorillas aus dem Zoo in die Wildnis). Ganz konkret wurde somit beweisen: Negative Informationen verfolgen wir kulturübergreifend aufmerksamer und psychisch erregter. Der in der journalistischen Welt bekannte Spruch „If it bleeds, it leeds“ hat durchaus seine Berechtigung. Negative Nachrichten bescheren den Medien viele Leser:innen und Hörer:innen. Dies erfuhr eine russische Zeitung am eigenen Leib, als sie einen Tag lang nur positive Schlagzeilen veröffentlichte. Ein Rückgang von mehr als zwei Drittel der Leser:innen war die Folge dieses Versuchs, die Nachrichtenwelt zeitweise umzugestalten.
Wir von spotlight.blog hoffen natürlich, dass unser Blog in der kommenden Woche (mindestens 😉) genauso häufig besucht wird, wie sonst auch. Wir wollen aufzeigen, was in der Gesellschaft und Politik gut läuft. Und natürlich ist uns auch bewusst, dass die meisten negativen Nachrichten ihre Berechtigung haben. Keine wichtige Information sollte unveröffentlicht bleiben. Wie so oft ist das richtige Maß entscheidend und beeinflusst unsere psychische Gesundheit. Lasst und also einen kleinen Teil zu einem ausgeglichenerem Medienkonsum beitragen! Denn nur, wenn positive Nachrichten veröffentlicht werden, können wir diese auch konsumieren. Freuen wir uns auf spannende Artikel!
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