Bildquelle: Rufus46 | CC BY-SA 3.0
Es ist wieder so weit; Wahlplakate pflastern die Innenstädte zu, denn die Bundestagswahl rückt näher. Poster und Flyer zieren Straßenlaternen, landen in Briefkästen und jede:r besitzt diesen einen Kugelschreiber von CDU, Grünen und co den fleißige Wahlkampfhelfer:innen uns in der Fußgängerzone zustecken. Hat dieser Kugelschreiber nun tatsächlich einen Effekt auf die Entscheidung wo wir unser Kreuz auf dem Stimmzettel setzen? Sind Plakate und Flyer überhaupt noch zeitgemäß und wie sieht es mit Werbung im Netz aus?
Auf den ersten Blick wirken die Plakate der meisten Parteien überraschend ähnlich- Hintergründe im parteitypischen Farbschema, das Gesicht der oder des Kandidierenden und ein Slogan der mit wenigen Wörtern auskommt. Diese grundlegenden Bausteine scheinen sich also in den letzten Jahren nicht wirklich verändert zu haben.
„Wahlplakate sind seit den 50er Jahren bis heute sehr konstant, was ihren Aufbau und ihre Bestandteile angeht“
Thorsten Smidt , Museumsdirektor vom Haus der Geschichte in Bonn
Knackige Slogans sollen das Image einer Partei bestmöglich auf den Punkt bringen und Fotos der Spitzenkandidat:innen Bekanntheit schaffen. Aber sind Wahlsprüche wie „Deutschland gemeinsam machen“ (CDU), „Zuhören und Zutrauen“ (Grünen), „Aus Liebe zur Freiheit“ (FDP) oder „Respekt für Dich“ (SPD) nicht gerade alles andere als kernig und wirken Sie dennoch auf uns?
Der Grund warum auf einer Mehrheit der Plakate und Flyer große Aufnahmen einer oder eines Kandidat:in abgebildet sind lässt sich laut Professor der Kommunikationswissenschaft Brettschneider auf den „Bild-Überlegenheitseffekt“ zurückführen. Bildplakate springen ins Auge und sind für uns natürlicherweise attraktiver. Fast 70% der Betrachtungszeit von Wahlpostern entfalle im Schnitt auf Bildbereiche.
Generell zeigen die Forschungsergebnisse, dass Wahlplakate kaum Einstellungen der Wählerinnen und Wähler verändern. Die Hauptfunktion der Plakate besteht aus Sicht der Wissenschaftler darin, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken. Wahlplakate wirken also vor allem dann, wenn sie relevante Themen ansprechen und wenn sie gut gemacht sind.
Prof. Dr. Frank Brettschneider
Wahlplakate signalisieren also den Beginn des Wahlkampfs, präsentieren Kanditat:innen und unterstreichen zentrale Themen, für die sich eine Partei einsetzt. Das Medium ist allerdings wenig geeignet um konkrete Zielforderungen, Strategien oder komplexe Sachverhalte zu vermitteln. Damit würden sich aber wohl auch die wenigsten auf dem Weg zum Einkaufen, im Auto oder beim Spaziergang durch die Nachbarschaft auseinander setzen. Plakate und Flyer sollen Sympathie für Kandiat:innen wecken und mit einem Kernthema vertraut machen. Sie senden kurzfristige Signale die im vorbei gehen aufgeschnappt werden können und dienen hauptsächlich der Imagebildung. Aufmerksamkeit wecken Parteien vor allem indem sie emotionale Lebenswelten repräsentieren und so persönlich ansprechend wirken. Das sind im derzeitigen Wahlkampf zum Beispiel die Corona Pandemie und der Klimawandel.
Wer selbst Hand anlegen möchte kann mithilfe des Plakatbaukastens der Satirepartei „Die Partei“ ein eigenes Wahlplakat aus den typischen drei Elementen Foto, Hintergrund, und Slogan erstellen. Es lassen sich individuelle Plakate designen und ausdrucken. Die ansprechendsten Werke landen in einer Galerie oder direkt auf der Straße.
Kein Kampf ohne Regeln
Wahlplakate sind genau wie Wahlkampfveranstaltungen oder Fernsehspots erlaubnispflichtig. Das bedeutet, dass beispielsweise für Wahlkampfstände eine Sondernutzungserlaubnis beantragt werden muss und Radio oder Fernsehsender einen genauen Zeitplan vorlegen müssen, welcher regelt, dass Sendezeiten gerecht verteilt werden. Wahlplakate dürfen erst ab einem festgelegten Zeitpunkt aufgehängt werden ab dem das Rennen um die besten Plätze beginnt. Bei Diskussionsrunden, beispielsweise TV-Debatten, wird darauf geachtet, dass Redeanteile fair verteilt werden.
In den digitalen Medien sieht es in puncto Regeln anders aus und das führt mit zunehmender Bedeutung von Wahlwerbung im Netz zu Kontroversen. 2019 vor der Europawahl entfachte das Video des Youtubers Rezo „Die Zerstörung der CDU“ eine hitzige Debatte rund um das Thema Wahlkampfvorschriften. Damals forderte Annegret Kramp-Karrenbauer Regeln für „Meinungsmache im Netz“. Sie sah in dem Video von Rezo klare Meinungsmache gegen CDU und SPD und fordert eindeutige Rahmenbedingungen für den Wahlkampf.
Was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich?
Annegret Kramp-Karrenbauer
In AKKs Forderungen sahen viele andere wiederum einen klaren Angriff auf die Meinungsfreiheit. Auf Youtube, Twitter und co wurde Protest laut. Viele Influencer:innen meldeten sich zu Wort und auf die Debatte reagierten auch viele Politiker:innen.
In Lindners Antwort auf die Reaktion der CDU Politikerin zeigt sich außerdem ein verbreitetes Phänomen. Jeder Patzer anderer Kandidat:innen wird genutzt, um das eigene Image zu polieren und Patzer gibt es auch im aktuellen Wahlkampf genug, beispielsweise bei der SPD.
Im Rennen um das Kanzleramt wirft ein Werbevideo der Sozialdemokrat:innen die Frage nach einer Etikette für Werbung im Netz auf. Die CDU reagiert empört auf den Spot welcher religiöse Überzeugungen zum Gegenstand eines politischen Angriffs macht. Mit Hilfe einer Matroscka Puppe scheint der Videoclip im wahrsten Sinne des Wortes die Arbeit von Laschets Partei Kolleg:innen zu enthüllen. Dabei wird auch der Leiter der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei Nathanael Liminski für homophobe und erzkatholische Äußerungen scharf kritisiert. Die Rechtmäßigkeit dieser Kritik stellt niemand in Frage, allerdings entfachte das Video eine Diskussion wie angebracht die Instrumentalisierung von unter anderem Religionszugehörigkeit im Wahlkampf ist. Der direkte Angriff Armin Laschets und seiner engen Mitarbeiter:innen hat den Wahlkampf der SPD wohl ordentlich befeuert, für das Video hagelt es aber auch Kritik. Einige finden es wichtig, kritische Beziehungen einer oder eines Kanzlerkanditat:in zu beleuchten, andere empfinden die Politisierung von Religionszugehörigkeit höchstproblematisch, besonders vor dem Hintergrund, dass die Äußerungen Liminskis aus einem Interview von 2007 stammen. Die katholische Kirche zeigt sich empört über die Verbreitung anti-katholischer Klischees in einem Wahlwerbespot.
Daher setzen die Grünen in ihrem aktuellen Werbespot lieber auf Gesang, der scheinbar aber auch nicht alle Ohren erklingen lässt. Unter dem #cringe scheinen viele auf Twitter belustigt über die schiefe Melodie und auch die Grünen müssen sich kritischen Stimmen stellen. Ihr Video würde zwar bewusst ein diverses Deutschland abbilden wollen, dennoch bediene es rassistische Klischees da alle BPoC einen offensichtlich nicht-deutschen Akzent hätten. Es gibt aber auch lobende Töne, denn schließlich hat sich die Partei Mühe gegeben Deutschland in vielen Facetten darzustellen.
Gemessen an den Reaktionen auf Twitter, Instagram und co scheinen bewegte Bilder, Beiträge aus Talkshows und Wahlkampfauftritte also deutlich stärker zu polarisieren und uns zu beeinflussen als Plakate, Flyer und Kugelschreiber. Werbung scheint nicht immer den gewünschten Effekt zu erzielen und verschiedene Medien im Wahlkampf unterscheiden sich stark in ihrer Wirkung. Was online erlaubt ist, lässt sich daher beispielsweise nicht so einfach regeln wie das Anbringen von Wahlplakaten. Der Wahlkampf lebt von kontroversen Diskussionen im Netz sowie analog und regulieren tut er sich, dadurch, dass über Social Media Kanäle kaum etwas unkommentiert bleibt, quasi von selbst.