Fotoquelle: Kremlin.ru | (CC BY 4.0)
Disclaimer: Wir von Spotlight sind zutiefst bestürzt über Russlands Angriff auf die Ukraine und die vielen Opfer dieses fürchterlichen Kriegs. Dieser Artikel beschäftigt sich mit einer sehr eindimensionalen Perspektive auf das Kriegsgeschehen und widmet sich diesem in einer äußerst rationalisierten Form.
Wenige Wochen vor der russischen Invasion der Ukraine zeigen sich China und Russland geschlossener denn je. Zur Eröffnung der olympischen Winterspiele in Peking im Februar veröffentlichen Putin und Jinping eine gemeinsame Erklärung zu ihrer Partnerschaft und den Prinzipien internationaler Zusammenarbeit. Scharf kritisieren beide Staatschefs die Nato-Osterweiterung. Darin heißt es „kein Staat könnte oder sollte seine Sicherheit isoliert von der globalen Sicherheit und auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten gewährleisten“, um nur am Rande auf die vor Ironie triefende Gestik der beiden hinzuweisen .
China positioniert sich also klar an Russlands Seite, dennoch hat es sich bisher in den Sicherheitsratsresolutionen welche die russischen Aggressionen verurteilen der Stimme enthalten und steckt scheinbar in einem Dilemma. Als engsten geopolitischen Partner will es Russland nicht verprellen, gleichzeitig hat die chinesische Regierung kein direktes Interesse am Ukrainekrieg und dieser könnte dem Land sogar schaden. Aus diesem Grund lohnt es sich einen genaueren Blick auf Chinas Rolle zu werfen.
Für den Osten Asiens ist die Ukraine zu einem wichtigen Transitland geworden. Der Güterverkehr zwischen der EU und China über ukrainische Trassen hat in den letzten Jahren zugenommen und bietet eine günstige Alternative zum Luft- bzw. Überseetransport. Damit ist die Ukraine zu einem nicht unerheblichen Teil der Seidenstraße geworden (mehr zu diesem Megaprojekt Chinas erfahrt ihr hier). Die Ukraine ist daher ein wichtiger Handelspartner für China und hat in den letzten Jahren viele Investitionen in Infrastrukturprojekte erhalten. Nun zerreißt das Kriegsgeschehen Lieferketten und hinterlässt zerstörte Produktionsstätten.
Außerdem zeigt sich an leeren Supermarktregalen, was auch für China zum Problem werden könnte. Rund ein Drittel chinesischer Getreideimporte stammt aus der Ukraine, die als Kornkammer Europas oder sogar der Welt zählt. Gleichzeitig wirken sich die seit Beginn des Kriegs steigenden Energiekosten auf die chinesische Wirtschaft aus und auch die weltwirtschaftlichen Folgen wird das Land zu spüren bekommen. Deshalb hat China wirtschaftlich viel zu verlieren, wodurch der Krieg wiederum ein Risiko für seine innenpolitische Stabilität darstellt. Unter dem Strich sichert ökonomische Stabilität nämlich immer den Machtanspruch einer Regierung und das Versprechen der kommunistischen Partei Chinas für Wohlstandswachstum zu sorgen, wird durch den Krieg durchaus gefährdet.
Es ergeben sich für China dennoch auch Chancen aus dem Krieg in der Ukraine, die sein Handeln oder eben Nichthandeln erklären. Einerseits stärkt die Kommunikation des Ukraine Krieges, wie man sie in sozialen Netzwerken und den chinesischen Staatsmedien erlebt, die Darstellung des „Westens“ als Feindbild, welches wiederum innenpolitisch verstärkt werden kann. Dabei wird aktiv ein prorussisches Narrativ verbreitet und der Angriffsgrund Putins sei die Nato-Osterweiterung gewesen.
Einst bittere Rivalen während des Kalten Krieges, pflegen China und Russland seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping vor fast zehn Jahren einen engeren Kontakt denn je. Hintergrund ist der gemeinsame Gegner USA.
ZDF
Durch den Krieg binden sich die USA zunehmend stärker an Europa. Dies könnte China gelegen kommen, da es erstmal die US-amerikanischen Bestrebungen einer stärkeren indopazifischen Kooperation auf Eis legt. Außerdem bietet die Krise China die Möglichkeit, die Reaktionen des „Westens“ gegenüber der Invasion Russlands in der Ukraine zu beobachten. China erhebt territoriale Ansprüche auf Taiwan und erlebt aktuell, wie sich „westliche“ Staaten gegenüber der russischen Invasion verhalten und welche Sanktionen erhoben werden. Dabei zeigt sich der „Westen“ erstaunlich geeint, was wiederum ein Warnruf für China sein kann, von einer Annexion Taiwans abzusehen. Die Situation lässt sich allerdings nicht komplett mit der Situation der Ukraine vergleichen, da der Angriff Taiwans, einer Insel, bereits geographisch ganz andere Herausforderungen stellt. Außerdem gilt Taiwans Militär als eines der bestausgestatteten im asiatischen Raum und der Staat kann sich durch den Taiwan Relations Act auf die sofortige der USA im Falle eines Angriffs verlassen.
Kein Land hätte derzeit einen größeren Einfluss auf Russlands gewaltsame Aggression gegen die Ukraine als China.
Scott Morrison, Premierminister Australien
…und trotzdem scheint eine Annäherung der EU sowie USA und China nur denkbar, wenn von moralischen Positionen, beispielsweise von Menschenrechtsverletzungsvorwürfen gegenüber China abgerückt wird.
China unterstützt Russland dadurch, dass sie die Sanktionen des Westens nicht mittragen. Auf der anderen Seite hat China aber ein Interesse, die Beziehungen mit dem Westen und mit westlichen Märkten nicht völlig auf Grund laufen zu lassen. Insofern vollführt China momentan einen regelrechten Eiertanz.
Sebastian Heilmann, Politikwissenschaftler
Daher sind die Beziehungen Chinas und Russlands nicht konfliktfrei und auch wenn China bisher keine aktive Rolle eingenommen hat, bleibt es wichtig zu betonen, dass der Staat wirtschaftlich deutlich enger an die EU sowie an die USA gebunden ist als an Russland. Letzteres nimmt in der Beziehung zu China die Rolle des Juniorpartners ein. Dennoch wird China sich wohl nur außenpolitisch einmischen wenn dies absolut unvermeidbar wird. Bis dahin wird es weiter seinen konsequent pragmatischen Eiertanz vollziehen, ohne sich eindeutig zu positionieren.