Ein Kommentar über die Ehe in der katholischen Kirche.
Dass die katholische Kirche ordentlich Dreck am Stecken hat (und das ist noch eine Untertreibung), ist nichts Neues, kann aber nicht oft genug erwähnt werden. An einem Ort, and dem eigentlich Liebe, Glauben und Gemeinschaft gefeiert werden sollen, wird und wurde traumatisiert, vergewaltigt, diskriminiert und zerstört.
Und trotzdem finden bis heute scheinheilige Katholikentage statt, in denen Verantwortlichen für diese Gräueltaten unter dem Deckmantel der Aufarbeitung eine Bühne geboten wird. Und die, denen diese Bühne eigentlich zusteht? Diejenigen wurden vom Verwaltungsgericht abgewiesen: Die Stadt Stuttgart hatte einer Protestaktion von Missbrauchsopfern einen Demonstrationsort während des Katholikentags 2022 zugewiesen: Den Stauffenbergplatz. Das „Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen sexueller Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche“ und die Giordano-Bruno-Stiftung akzeptierten dies nicht und reichten einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Stuttgart ein, um am Kunstmuseum am Schlossplatz in der Fußgängerzone demonstrieren zu dürfen – ohne Erfolg. Die Stadt hatte die Betroffenen ins Abseits gedrängt.
Ein inakzeptabler Umstand, der mit fehlenden Zufahrtsmöglichkeiten für Rettungsfahrzeuge im Falle eines Notfalls erklärt wurde. Schön und gut und mindestens ebenso wenig verwunderlich, wenn der Ministerpräsident des veranstaltenden Bundeslands öffentlich äußert, er wünsche sich, das Ansehen der katholischen Kirche würde wieder wachsen. Richtig. Das Ansehen der Institution, die systematisch Kinder vergewaltigt und Jahre später dann zum Schweigen zu bringen versucht. Die Institution die jegliche Existenz Abseits des cis-Universums ablehnt. Die Institution deren ehemaliger heiliger Kopf (Joseph Ratzinger) vertuscht und lügt.
Für diejenigen, die es verpasst haben: Am 20.01.2022 wurde ein Gutachten über die Vertuschung von Missbrauchsfällen des Erzbistums München vorgestellt. Dort wurde auch Ratzinger beschuldigt, der während seiner Zeit als Erzbischof des Bistums München und Freising zwei gerichtlich verurteilten Missbrauchstätern erlaubt hatte, als Priester und Seelsorger weiterzuarbeiten. Zunächst hatte Ratzinger angegeben, bei der entscheidenden Sitzung über den weiteren Einsatz der beiden Täter nicht anwesend gewesen zu sein. Diese Lüge würde er später als ein „Versehen“ bezeichnen.
Und doch gibt es noch immer Menschen, die noch nicht vom Glauben abgefallen sind. Menschen, deren (blinde) Güte, die angebliche der katholischen Kirche übersteigt und die ihr noch immer nicht den Rücken zukehren wollen. Die Zahl letzterer wächst jedoch zunehmend. Allein im Jahr 2020 traten ca. 221.390 Personen aus der katholischen Kirche aus. Die profitiert sogar hier von staatlichen Einrichtungen. Diesmal ist es nicht das Stuttgarter Verwaltungsgericht, sondern die zuständigen Ämter. Die Austrittstermine dort sind knapp und teuer. Glück gehabt.
Zurück zu denen, die der Kirche noch bleiben. Zum Beispiel diejenigen, die vor Gott ihre Liebe feiern und den Bund der Ehe eingehen wollen. Auch diese Menschen werden weniger. Im Jahr 2000 heirateten noch 64.383 Paare katholisch. 2019 waren es 38.537. Falls es jetzt also noch nicht deutlich genug geworden ist: Immer weniger Menschen wollen Teil der katholischen Kirche sein (weil sie entweder queer sind und gar nicht können, weil sie eine solche Horror-Institution nicht unterstützen wollen, oder beides auf sie zutrifft) und noch weniger wollen aktiv mitmachen.
Und trotz dessen erlaubt sich die katholische Kirche die Dreistheit, maximale Kontrolle über diejenigen ausüben zu wollen, denen die guten Seiten der Kirche wichtiger sind. Diejenigen, die ihren Glauben trotz allem leben möchten und keinen anderen Weg dafür finden, als bei der Kirche zu bleiben. Eine Möglichkeit, die einige wählen, um ihren Glauben zu leben, ist zum Beispiel das Sakrament der Ehe. Das Bistum Trier erklärt das so:
„Die Ehe ist ein Bund, durch den Mann und Frau miteinander die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, die auf das Wohl der Gatten und die Erziehung von Kindern hingeordnet ist. Dieser Bund, der zwischen Getauften durch Christus zum Sakrament erhoben wurde, ist wesentlich bestimmt durch die Treue und die Unauflöslichkeit. Für die katholische Kirche ist die Ehe eingebettet in die Schöpfungsordnung. Durch die Schöpfung als Mann und Frau ist die Verbindung zwischen ihnen Teil des göttlichen Schöpfungsplanes (Gen 2, 18-24).“
In diesen Sätzen steckt so einiges. Sogar so viel, dass die Kirche einen Vertrag braucht, um nichts davon zu vergessen. Das ist etwas ganz anderes als der Ehevertrag, den man außerhalb der Kirche kennt. Es ist kein Vertrag über Güter, es ist ein Vertrag, der viel weiter geht. Ein Vertrag über Leib und Seele.
Zunächst stellt der Vertrag sicher, dass auch wirklich nur cis-Personen daran beteiligt sind. Es ist die Rede von „Mann“ und „Frau“, von „Braut“ und „Bräutigam“. Damit auch bloß keine Liebe bis zu Gott gelangt, die aus den mit Scheuklappen versehenen Augen der katholischen Kirche die falsche ist.
Darauf folgt der Absatz B: „Ehehindernisse, Eheverbote, Trauverbote und Ehewille“. Sie alle müssen geprüft werden, damit geheiratet werden kann. Hier kommt es auf das Kleingedruckte an, um zu verstehen, was die Kirche eigentlich von denen, die sie noch hat, verlangt. Ein sogenanntes Ehehindernis ist eben nicht nur ein Fehlen des erforderlichen Mindestalters, sondern auch zum Beispiel die „b) Unfähigkeit zum ehelichen Akt, nur sofern dauernd und sicher vorliegend (c. 1084); im Zweifelsfalle darf die Eheschließung nicht verhindert werden (c. 1084 § 2);“. Oder auch: Sex ist Pflicht.
Weiterhin möchte die Kirche nicht nur über den Körper des Brautpaars entscheiden, sie verlangt zudem völlige Offenheit über Gedanken und Gefühle. Im Vertragsteil B. II 16. ist zu lesen: „Versichern Sie, dass Sie Ihren Partner vor der Eheschließung unterrichten, falls bei Ihnen eine Eigenschaft vorliegt, die die Gemeinschaft des ehelichen Lebens schwer stören kann?“ Hierzu steht nichts im Kleingedruckten. Ist ja auch eigentlich leicht zu verstehen. Es wird absolute Offenheit verlangt. Die Aufgabe eigener kleiner oder großer Geheimnisse und Fantasien, ja eigentlich die Aufgabe des gesamten Individuums außerhalb der Ehe.
Und um sich abschließend noch Nachschub zu sichern, holt sich die katholische Kirche noch das vertragliche Versprechen ab, dass die Kinder, die aus dem verpflichtenden Sex hervorgehen müssen – denn schließlich ist Sex ja nicht zum Vergnügen da, jedenfalls steht davon nichts im Vertrag – zu kleinen Katholik:innen erzogen werden. (Siehe Teil B. III 18. b).)
Dafür, dass die Männer, die dem Brautpaar beim Unterzeichnen des Vertrags gegenübersitzen, im Zölibat leben, geht es ganz schön viel um Sex. Und trotzdem wird nicht thematisiert, dass Sex schön sein kann und emotionale Verbindungen schafft. Und ebenso wenig, dass Sex auch nicht gefallen muss, und alles andere als eine Pflicht ist. Gruselig.
Aber wen wundert’s?! Wenn doch einige genau dieser Männer schutzlose Menschen zum Sex zwingen und kein Nein akzeptieren? Zölibatische Männer, denen Liebe und Einvernehmen egal sind, solange die Kirche weitermachen kann, wie sie es schon immer getan hat?
Und die Ehe, die eigentlich ein „Bund, durch den Mann und Frau miteinander die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, die auf das Wohl der Gatten und die Erziehung von Kindern hingeordnet ist“ sein soll? Sie wird zum Mittel zum Zweck, um das Fortbestehen der Kirche zu sichern. Damit die Kirche weitermachen kann, wie sie es immer getan hat.
Hier gibt es den ganzen Vertrag („Ehevorbereitungsprotokoll“).