Was soll der „Doppelwumms“?

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Fotoquelle: © Sandro Halank | (CC BY-SA 4.0)

Die Angst vieler Deutscher war groß, wenn in den letzten Tagen und Wochen ein Brief der Energieversorger im Postkasten lag. Oft küdigte dieser eine Gaspreiserhöhung um das fünffache des ursprünglichen Tarifes an, mancherorts sogar um den Faktor zehn. Insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen und für kleinere Unternehmen ist die grundlegende Energieversorgung kurz vor dem Winter damit nicht mehr bezahlbar. Um dem entgegen zu wirken, kündigte Kanzler Scholz deshalb den „Doppelwumms“ an. Was steckt hinter diesem Schlagwort und warum wählt der Bundeskanzler eine solch plakative Sprache?

Manchmal macht es den Eindruck, als hätte Olaf Scholz vergessen, warum er vor ziemlich genau einem Jahr die Bundestagswahl gewann. Es waren weder seine politischen Inhalte, noch seine Errungenschaften als Hamburger Bürgermeister. Im Gegenteil: Warburgbank, Cum-Ex, Brechmittel, G20 – Scholz‘ politische Vergangenheit ist voller Skandale. Er gewann die Wahl deshalb, weil seine Rivalen – Armin Laschet und die CDU – erstens auf Annalena Baerbock zielten und zweitens die eigenen Fehler geradebügeln mussten. Man erinnere sich nur an Laschets denkwürdige Scherzerei im Hintergrund der Rede des Bundespräsidenten im flutgeprägten Ahrtal. Scholz galt im Wahlkampf als geistiger Nachfolger Angela Merkels: ruhig, zurückhaltend, organisierend. Dies sorgte zwar für einige Distanz zum Volk, versprach aber auch Beständigkeit und Unaufgeregtheit. Die SPD statt der CDU zu wählen, wurde zu einer konservativen Entscheidung.

Olaf Scholz selbst scheint dieses bürokratische Image nicht zu gefallen. Im Wahlkampf brachte er deshalb seine „Respekt“-Kampagne ein. Ein Begriff, der bodenständig und unangreifbar wirken sollte. In der Auseinandersetzung zwischen CDU und Grünen ging er jedoch fast vollständig unter.

In der aktuellen Krise versucht es Scholz erneut. Gerade jetzt, wenn viele Menschen das Kleingeld auf dem Weg zum Supermarkt zählen oder die Geschenke für Weihnachten kürzen, brauche das Volk einen nahbaren und Mut machenden Kanzler – Das ist offensichtlich die Haltung des Bundeskanzlers zu seiner Imagepflege. Daraus entstehen dann Phrasen wie „You’ll never walk alone“ oder eben der „Doppelwumms“. Dabei unterschätzt Scholz den Anspruch, den die Bürger:innen an sein Amt haben. Sie brauchen keine warmen Worte, sondern echte finanzielle Entlastungen. Zudem erscheint Scholz‘ vermeintlich bodenständiges Image wenig glaubwürdig. Immer wieder beschäftigt seine arrogante Art auf kritische Fragen zu antworten oder das süffisante Lächeln, mit welchem er Gesprächspartner – vor allem Frauen – bedenkt, die Medien.

Statt wirkungsvollen Entlastungen erleben die Bürger:innen dieses Landes in den letzten Wochen und Monaten aber vor allem ein gewaltiges politisches Chaos. Wirklich konkrete Maßnahmen werden spät angekündigt und noch später umgesetzt oder gar fallen gelassen. So wurde das sogenannte Energiegeld erst kürzlich an lohnsteuerpflichtige Menschen ausgezahlt, Rentner:innen und Student:innen haben es immer noch nicht erhalten. Die Gasumlage, die eigentlich den Uniper-Konzern retten sollte, wurde ganz gekippt – nachdem das Unternehmen verstaatlicht wurde, musste es nicht mehr gerettet werden. Im Kanzleramt und in den zuständigen Ministerien rennen die Verantwortlichen seit Beginn der Energiekrise von einer Wand in die andere.

Nun also der „Doppelwumms“. In meinem letzten Kommentar zu den Entlastungspaketen der Bundesregierung hatte ich angeführt, dass das dritte Paket finanziell umfassender ist, als die beiden vorherigen zusammen. Der „Doppelwumms“ ist mit 200 Milliarden Euro nun mehr als doppelt so schwer, wie alle drei Pakete. Doch genau wie für das letzte Paket steht auch jetzt wieder die Summe vor dem Weg fest. Statt zu schauen, wie man entlasten kann, wer wieviel Entlastungsbedarf hat und im letzten Schritt zu prüfen, ob die nötigen Mittel dafür freigemacht werden können, zäumt die Bundesregierung erneut das Pferd von hinten auf. Erst wird eine möglichst plakative Geldsumme beschlossen, dann der Empfängerkreis eingegrenzt und erst im letzten Schritt evaluiert, ob die Mittel überhaupt verteilt werden können. Ähnlich verlief bereits das Sondervermögen für die Bundeswehr. Erst wurde die Summe auf öffentlichkeitswirksame und glatte 100 Milliarden festgelegt, wo allerdings welches Geld benötigt wird, stand eindeutig an zweiter Stelle.

Mit den 200 Milliarden Euro des „Doppelwumms“ soll nun ein Gaspreisdeckel eingeführt werden – Ein Begriff mit dem viele Bürger:innen sicher mehr anfangen könnten. Das Prinzip ist einfach: Die Bundesregierung friert zu einem bestimmten Zeitpunkt den Gaspreis ein. Verbraucher:innen zahlen nur diesen eingefrorenen Preis, die Differenz zu den tatsächlichen Marktpreisen zahlt die Regierung. Der Deckel soll nur bis zu einer bestimmten Grenze gelten, darüber hinaus muss der reguläre Gaspreis gezahlt werden. Ein Anreiz zum energiesparen. Wie hoch diese Grenze ist, wie die Bürger:innen an ihr Geld kommen, ob sie in Vorzahlung gehen müssen, ob die Regierung das Geld direkt an die Konzerne zahlt, welchen Anteil die Bundesländer übernehmen – All diese Fragen sind derzeit noch völlig offen. Nur die 200 Milliarden, die stehen.

Der Bundeskanzler versteht nicht, dass sein Volk die vermeintlich bodenständigen Worthülsen völlig durschaut. So spenden diese nicht einmal Mut. Im Gegenteil: Seine rethorischen Blendgranaten sorgen dafür, dass der Eindruck entsteht, Scholz‘ handele nur um seines Images Willen, aus Eigeninteresse. Die Bürger:innen brauchen in Zeiten finanzieller Not aber einen Kanzler, der einen Gasdeckel „Gasdeckel“ nennt und nicht „Doppelwumms“. Einen, der große Summen Geld nicht deshalb frei macht, weil es gut klingt, sondern weil genau dieses Geld jetzt gebraucht wird. „You’ll never walk alone“ stimmt derzeit schlicht nicht. Organisation und Struktur könnten das ändern – eigentlich Scholz‘ Stärken.

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