Heute finden die Stich-Wahlen um Brasiliens zukünftigen Präsidenten statt. Die Opponenten sind der konservative Bolsonaro, der bereits in der letzten Legislaturperiode von vier Jahren kandidierte und der als links betitelte Lula da Silva, der bereits 2011 das Amt des Präsidenten antrat.
Der Wahlkampf – von Teufelsanbetung bis Kannibalismus
Jair Bolsonaro bezeichnet sich als Patriotisten. Seinen Wahlkampf führte er unter dem Slogan „deus, pátria e família“ – Gott, Vaterland und Familie. Brasiliens größte Wirtschaftsunternehmer:innen, wie Großgrundbesitzer:innen, die evangelische Kirche, als auch die brasilianische Polizei steht hinter ihm. Nicht nur wird Luiz Inácio Lula da Silva fälschlicherweise als linker Kommunist bezeichnet, auch kursierte ein Video in den brasilianischen Medien, das von brasilianischen Politiker:inne:n und nicht zuletzt von Bolsonaros Söhnen geteilt wurde, in dem sich da Silva als Satanist betitele. Nach besagtem Video lieferte da Silvas Wahlkampfteam ein zumindest ebenso absurdes Schauspiel. Eine Reportage aus Zusammenschnitten alten Videos Bolsonaros wurde veröffentlicht, die zeigen sollten, dass dieser ein Kannibalist sei, berichtet die Tageszeitung in einem Artikel auf ihrer Website.
Tatsächliche Fakten über die (ehemaligen) Präsidenten
Während da Silvas Legislaturperiode wurden die meisten Hilfsprogamme für den ärmeren Teil der Bevölkerung eingeführt, wie davor als auch danach nicht mehr. Allerdings wurde Lula da Silva 6 Jahre nach seiner Amtszeit als Präsident wegen Korruption im Zusammenhang mit dem Ölkonzern Petrobas angeklagt. 2018 trat er seine 579 Tage lange Haftstrafe an, wurde dann allerdings 2019 wieder entlassen, da der Oberste Gerichtshof ein Gesetz verabschiedte, in dessen Folge seine Inhaftierung aufgehoben wurde.
Bolsonaro nutzte diese Verurteilung natürlich auch in seinem Wahlkampf. Allerdings zeigt schon die große Unterstützung der brasilianischen Großgrundbesitzer:innen, dass er selber ebenfalls keine weiße Weste trägt. Obwohl er während seiner Regierungszeit die Gesetze zum Schutz des Amazonas nicht abschaffte, tat er ebenfalls nichts, um diese auszuüben, beziehungsweise zu schützen. Er strich sämtliche Regierungsgelder, die an den Umweltschutz gingen und brang das Abbrennen des Amazonas an einen neuen Rekord. In weniger als einem Jahr wurden mehr als 11.000 Quadratkilometer des Amazonas abgeholzt, berichtet der WWF in einem Online-Beitrag. Die abgeholzten Flächen wurden von der Landwirtschaft für den den Anbau von Produkten wie Soja genutzt. Die Herstellung macht einen großen Teil der brasilianischen Wirtschaft aus, da die Anbauprodukte in die ganze Welt expotiert werden. Der größte Verbrauch von Soja liegt in der Massenzuchthaltung, da die weltweite Nachfrage nach Futtermittelsoja, Rindfleisch und Milchprodukten stätigt wächst. Eine derartige Abrodung hat neben kurzfristlichen geldlichen Gewinnen, allerdings enorm negative Langzeitfolgen. Und diese betreffen nicht nur die Umwelt, sondern auch das Leben und die Sicherheit der indigenen Bevölkerung.
Der Kampf um jede einzelne Stimme
Da Lula da Silva sich wahrscheinlich die Stimmen der indigen Brasilianer:innen zunutzen machen wollte, verkündete er während seines Wahlkampfs ein Ministerium für indigene Rechte einführen zu wollen. Jedoch wäre das im Vergleich zu seiner letzten Legislaturperiode etwas neues. Bisher sitzt nur eine indigene Politiker:innen im brasilianischen Parlament, der konservativere Teil der braislianischen Bevölkerung zeigt aber kein großes Interesse sich die Stimmen der indigenen Gruppen überhaupt anhören zu wollen. Nicht nur sind die Reservate der Indigenen unter Bolsonaro unter ständiger Gefahr, sondern auch ihre Leben. Bewaffnete Gruppen bedrohen die indigenen Gruppen, die sich für die Wirtschaft in gefragten Teilen des Landes befinden, wie zum Beispiel an der Küste. Wer mehr Eindrücke und Bilder dazu sehen will, sollte sich die Reportage des Auslandjournals anschauen, in der Großgrundbesitzer als auch Indigene interviewt werden.
Während Lula da Silva als Mitglied der Arbeiterpartei offensichtlich mehr für das Sozialwesen des Landes getan hat, als Bolsonaro es jemals tun wird, hat Bolsonaro nun in den letzten Tagen seines Amtes gezielte Hilfegelder an ärmere Teile der Bevölkerung verteilt, was ihn wieder einige Stimmen gewinnen lassen hat und für ein knappes Kopf an Kopf rennen erzielen sollte.
Kommt die Demokratie, kommt der Populismus
Im Falle von Bolsonaros Verlust der Wahl, hat er bereits dafür gesorgt, dass zumindest seine Anhänger:innen von einem verfälschten Wahlergebnis ausgehen. Brasilien ist ein nachwievor stark christlich geprägtes Land. Was also Trump mit der Unterstützung der Kirchen in den USA bezweckte, macht Bolsonaro mit den Kirchen in Brasilien. Seine radikalen Anhänger:innen sind so weit von ihm überzeugt, dass sie wahren, negativen Nachrichten über ihren Präsidenten die Echtheit absprechen und das wahrschienlich auich weiterhin tun werden.
Nachtrag: Lula da Silva hat die Wahl mit 50,9% der Stimmen gewonnen (31.10.22)