Die Philippinen: Sehnsuchtsort internationaler Honeymoontouristen und wirtschaftliches Powerhouse. Doch seit vielen Jahrzehnten hat der südostasiatische Inselstaat mit bewaffneten Konflikten zu kämpfen. Die Regierung führt nicht nur einen Antisezessionskrieg gegen die radikal islamische Moro Islamic Liberation Front (MILF) sowie einen harten Krieg gegen die Betäubungsmittelkriminalität. Seit Beginn der 70er Jahre versucht die New Peoples Army (NPA), der bewaffnete Arm der Kommunistischen Partei der Philippinen, die Regierung durch einen Arbeiter- und Bauernstaat zu ersetzen. Bereits mehr als 45.000 Menschenleben soll dieser Konflikt gekostet haben, beide Seiten handeln teils unter massiven Menschenrechtsverletzungen. Doch trotz ausgefeilter Guerillastrukturen und Unterstützung aus der Zivilbevölkerung, scheint die Regierung die Überhand zu gewinnen.
Die Geschichte der Philippinen ist insbesondere durch den Kolonialismus geprägt und lässt heutige Bezüge auf historische Revolutionen und Unabhängigkeitskämpfe zu. Von 1565 bis 1897 waren die Philippinen spanische Kolonie. Nach der sogenannten Philippinischen Revolution erfolgte 1899 die Gründung einer unabhängigen philippinischen Republik, welche 1901 jedoch durch die USA erneut in Kolonialherrschaft geriet. Erst seit 1946 konnten sich die Philippinen von dieser lösen. Bis heute haben die Vereinigten Staaten von Amerika erheblichen Einfluss auf das Land, Englisch ist Amtssprache. Im Kalten Krieg unterstützten die Philippinen die USA auch militärisch, beispielsweise im Koreakrieg.
Bereits während der spanischen und US-amerikanischen Kolonialzeit bestand eine hohe Diskrepanz in der Kontrolle der einzelnen Regionen der Philippinen. Dies hat insbesondere geografische Gründe: Die Philippinen bestehen aus 7.641 Inseln, von denen rund 880 bewohnt sind. Diese geografische Abgrenzung der Regionen und Provinzen bereitet bis heute den Nährboden politischer, religiöser und ethnischer Splittergruppen. Die NPA gilt als bewaffneter Zweig der Communist Party of the Philippines (CPP) und versucht, die Interessen der Partei militärisch durchzusetzen. Die CPP bezeichnet sich als proletarisch-revolutionär und bezieht sich auf den Marxismus-Leninismus-Maoismus. Bereits 1935 gründete sich die Partido Komunista ng Pilipinas (span.: Kommunistische Partei der Philippinen), welche nach einem Aufstand 1954 jedoch zerschlagen wurde und sich erst 1968 in Form der heutigen CPP neugründete. Seit ihrer Gründung kämpft die Partei für ein Ende der philippinischen Republik, welche durch einen Arbeiter- und Bauernstaat ersetzt werden soll. Entsprechend stehen ideologische Motive als Konfliktgründe im Vordergrund. Zudem lehnt die Partei den weiterhin hohen Einfluss der USA auf das Land als imperialistisch ab.
Der 21. August 1971 gilt als Beginn des Kampfes der NPA gegen die bestehende Ordnung auf den Philippinen. Drei Mitglieder der Organisation verübten einen Sprengstoffanschlag auf eine Versammlung der Liberal Party, töteten dabei neun Menschen und verletzten 95 weitere. Nachdem es innerhalb der Folgemonate zu weiteren Anschlägen (mutmaßlich durch Anhänger der NPA, Organisationen islamistischer Gesinnung und false flag Attacken durch Regierungsorgane) kam, verhängte Präsident Ferdinand Marcos das Kriegsrecht. Die durch das Kriegsrecht hervorgerufenen Repressalien gegen Oppositionelle und Kommunisten führten zu einer Herrschaftsstruktur, welche heute als „Marcos-Diktatur“ bekannt ist. Innerhalb dieser Zeit, welche bis zur Flucht Marcos 1986 andauerte, waren Mitgliederstärke und Aktivität der NPA am ausgeprägtesten. 1987 lag die Zahl ihrer Anhänger bei noch rund 25.000.
Der Konflikt zwischen der NPA und der philippinischen Regierung ist insbesondere durch Charakteristika eines Volkskrieges nach maoistischem Vorbild geprägt. Dazu gehört die Etablierung in Regionen mit wenig Einfluss durch die Regierung, die Rekrutierung kleinerer, ideologisch verwandter Organisationen, sowie der Aufbau parallelstaatlicher Strukturen nach kommunistischer Ideologie in Einflussgebieten. Beispiele für Letztere sind kommunale Administrationen, bewaffnete polizeiähnliche Milizen oder Bauernverbände. Diese verdrängen in den kontrollierten Gebieten den Einfluss der Regierung weiter. Der Krieg der NPA gegen die Regierung äußerte sich vor allem durch die Anwendung von Guerilla-Taktiken. Bewaffnete Angriffe fanden in der Vergangenheit vor allem auf Polizei und Militär der Philippinen statt, vereinzelt kam es auch zu Angriffen auf Angehörige des US-Militärs.
Unabhängige Organisationen schätzen, dass in der Hauptphase des Krieges bis ins Jahr 2002 etwa 44.000 Menschen durch den Krieg zu Tode gekommen sind. Darunter etwa 23.000 Anhänger der NPA, etwa 10.000 Mitglieder der philippinischen Polizei und des philippinischen Militärs, sowie etwa 11.000 Zivilisten.
In der jüngeren Vergangenheit ist die Zahl militärischer Aktionen der NPA stark gesunken. Von größerer Bedeutung sind ein Angriff auf ein Polizeifahrzeug in Catarman 2010 (acht tote Polizisten), die Entführung des Bürgermeisters von Lingig, Henry Dano 2011 (Freilassung nach Entschuldigung für Menschenrechtsverstöße), sowie der Beschuss eines durch Polizisten und Zivilisten besetzten LKW 2013 in La Castellana (neun Tote, zwölf Verletzte).
Seit 1986 finden zwischen der philippinischen Regierung und der CPP Friedensverhandlungen statt, welche bisher jedoch insgesamt nicht erfolgreich waren. Der philippinischen Regierung gelang es jedoch vermehrt, gemäßigtere Gruppen von der NPA abzuspalten und so die Stärke der NPA zu verringern. Politische Kompromissbereitschaft zeigte die Regierung bisher nicht.
Nach Angaben der staatlichen Philippine News Agency (PNA) zwang das philippinische Militär 2021 insgesamt mehr als 2.000 vermeintliche Kämpfer und Anhänger der NPA zur Aufgabe. Der Großteil der sich Ergebenden wurde zur formellen Lossagung von der NPA gezwungen.
Nach eigenen Angaben gehören zur NPA derzeit 110 teilautonome „Guerilla-Fronten“ in 73 der 81 Provinzen der Philippinen. Laut NPA werden diese unterstützt durch „Selbstverteidigungsgruppen“ von Massenorganisationen wie Gewerkschaften. Eigene Zahlen zur Personenstärke macht die New Peoples’s Army nicht.[1] Im Dezember 2022 veröffentlichte das philippinische Militär Zahlen, nach denen lediglich 2.112 Menschen der NPA angehören, welche im Besitz von insgesamt 1.876 Schusswaffen seien.[2] Wie diese offensichtlich ungerundeten und sehr präzisen Angaben zustande kamen, ist nicht ersichtlich. Laut Regierung betreibt die NPA statt, wie selbst angegeben, 110 lediglich 22 „Guerilla-Fronten“, von denen 17 bereits deutlich geschwächt seien. Zudem berichtet die Regierung von der Inhaftierung, beziehungsweise Tötung wichtiger NPA-Führer, wie den Anführern von Fronten und Mitglieder von Partei- und Organisationsgremien.
Obwohl Angaben von NPA und der philippinischen Regierung zum Teil stark auseinanderliegen, ist von einem Rückgang der Stärke der NPA im Verlauf des Kriegsjahres 2021 auszugehen. General Bartolome Vicente Bacarro, zuständiger Anführer der philippinischen Armee, sprach im September 2022 bereits von einem „strategischen Sieg“ gegen die NPA.
Trotz rückläufiger Mitgliederzahlen und mutmaßlichen Siegen des Militärs gegen die NPA kam es 2022 zu einem leichten Anstieg von militärischen Aktionen der New People’s Army. Insgesamt soll es so zu 17 Todesopfern gekommen sein. Sowohl Militär als auch NPA werden beschuldigt, auch Zivilisten angegriffen zu haben. Zudem tötete die NPA ein Mitglied des sogenannten Barangay Peacekeeping Action Teams, eine lokale Polizeitruppe, welche kommunistische Strukturen in der Region Barangay zerschlagen soll.
Am 16. Dezember 2022 starb mit José Mariá Canlás Sison der Gründer der CPP und mutmaßliche inoffizielle Anführer der NPA im Alter von 83 Jahren. Sison lebte seit 1987 im politischen Exil in Utrecht, Niederlande. Trotz seines Exils soll Sison bis zu seinem Tod die ideologische Leitlinie der CPP und damit auch der NPA vorgegeben haben.
Insbesondere der Tod José Mariá Canlás Sisons könnte in den kommenden Monaten für einen weiteren Zerfall der CPP und der NPA führen. Der Wegfall seiner Führung könnte sowohl einen Verlust an Organisationsfähigkeit als auch an Truppenmoral darstellen. Die philippinische Regierung scheint zudem nicht an einer politischen Lösung interessiert, sondern rüstet sich im Gegenteil verbal zu einem endgültigen Schlag gegen die Organisationen. So formulierte Colonel Medel Aguilar, Sprecher der philippinischen Streitkräfte einen „Neujahrswunsch“, nach welchem die Mitglieder von CPP und NPA die Kämpfe aufgeben sollten und kündigte ansonsten militärische Konsequenzen an.
Interessant bleibt dann der Verbleib kommunistischer Strukturen innerhalb der von der NPA insbesondere im Süden des Landes kontrollierten Gebiete, welche bisher in Kooperation mit der lokalen Bevölkerung errichtet worden waren. Im Gegensatz zu einzelnen Kämpfern der NPA lassen sich diese weniger eindeutig neutralisieren.