Schambehaftende Menstruation – Warum die monatlichen Blutungen zu einer Belastung werden

Gepostet von

Rund die Hälfte der Weltbevölkerung blutet etwa alle 23 – 35 Tage für rund vier Jahrzehnte ihres Lebens *. Diese Fähigkeit ist dabei eine der entscheidenden Faktoren, die dazu beitragen, dass wir Menschen auf der Erde existieren. Sie erfüllt den Kinderwunsch des/der Partner*in, macht Eltern zu Großeltern und wird oft symbolisch als der Inbegriff von Weiblichkeit gesehen. Doch warum geht dieses ganz natürliche Phänomen, dass eine zentrale Rolle im Leben eines jeden Menschen spielt, egal ob man einen Uterus besitzt oder nicht, mit so viel Scham und Geheimnistuerei einher und das seit Jahrtausenden?

Bezeichnungen wie „Erdbeerwoche“ oder der sagenumwobene Besuch der „Tante Rosa“ beschreiben damit alle den gleichen Vorgang der Menstruation. Dabei sind diese vermeintlich harmlosen Umschreibungen kennzeichnend für die gesellschaftliche Verdrängung und Intoleranz gegenüber diesem Thema.

Biologische Hintergründe

Um die Menstruation besser verstehen zu können ist es sinnvoll, sich hierbei die Biologie dazu in aller Kürze in den Hinterkopf zu rufen. Menstruierende Menschen haben einen Zyklus, das heißt, einen immer wiederkehrenden Kreislauf, der mit der Menstruation, also der Regelblutung beginnt. Dieser Beginn ist dabei natürlich rein zur besseren Veranschaulichung gewählt, da ein Zyklus nicht den einen Startpunkt hat. Während dieses Zyklus spielen vor allem Hormone eine wichtige Rolle, denn sie sorgen zu verschiedenen Zeiten im Zyklus für verschiedene Dinge. Während der Menstruation wird die Gebärmutterschleimhaut abgebaut. Dies geht mit Blutungen und Krämpfen einher. Dadurch, dass ein Gewebe abgestoßen wird, enthält der Ausfluss neben Blut oft auch verschieden große Klumpen eben dieses Gewebes (Schleimhaut). Nach Beendigung der Menstruation wird die Gebärmutterschleimhaut über den Rest des Zyklus wieder aufgebaut.

Im ersten Abschnitt des Zyklus, der Follikelphase, reift eine Eizelle in einem Follikel heran. Die Dauer dieser Phase kann stark variieren. Dies ist der Grund dafür, dass die Zykluslänge von menstruierenden Personen so stark variiert (der 28-Tage Zyklus als die noch immer häufig postulierte Normlänge eines Zyklus, tritt lediglich bei 13% der menstruierenden Menschen auf). Während der Ovulation reißt der Follikel auf und die Eizelle entweicht, die Follikelphase ist hiermit beendet. Auf die Ovulation folgt die Lutealphase, die meist zwischen 10-16 Tage dauert. Auch hier ist deshalb viel Spielraum für stark unterschiedliche Zykluslängen. Diese Phase ist kennzeichnend dafür, dass die Gebärmutterschleimhaut stark zunimmt und die Uteruswände einkleidet, denn nach der Ovulation kann die Eizelle durch eine Samenzelle befruchtet werden. Geschieht dies, braucht die befruchtete Eizelle eine dicke Schleimhaut, um sich in der Gebärmutter einzunisten.

Falls die Eizelle befruchtet wird, wird die Schleimhaut also nicht abgestoßen, denn sie wird weiterhin benötigt. Das Aussetzen der Menstruation und damit der Blutungen kann deshalb ein Zeichen für Schwangerschaft sein. Meistens aber wird die durch die Ovulation freigesetzte Eizelle nicht befruchtet und die Schleimhaut wird erneut abgestoßen. Der Zyklus ist also mit dem letzten Tag vor der Menstruation beendet und beginnt dann von Neuem.

Gesellschaftliche Stigmata

In vielen Kulturen ist das Thema der Menstruation trotz aller Natürlichkeit noch immer ein Tabu. Es wird und wurde mit vermeintlicher Unreinheit, Schwäche, Sünden und sogar Gift, dass so den Körper verlässt, in Verbindung gebracht. Auch in Deutschland wird die Menstruation noch immer von vielen als Ekel erregend oder unhygienisch angesehen. Menstruierende Menschen sollen dabei möglichst diskret mit diesem „Zustand“ umgehen, denn Nicht-menstruierende Menschen wollen meist wenig oder gar nicht mit dem Thema tangiert werden. Warum sonst kennt jede menstruierende Person das Gefühl den Tampon oder die Binde fest in der Hand, Hosentasche oder Jacke auf dem Weg zur Toilette versteckend zu halten? Viele leiden deshalb nicht nur unter den (als normal angesehenen) Menstruationsschmerzen, sondern empfinden zusätzlich noch Scham, Ekel und Stress. Dies überrascht wenig, wenn sogar der Transport von Menstruationsprodukten für viele mit dem Gefühl Verbotenes zu tun einhergeht. Wird man sich diesen und anderen Auswirkungen des gesellschaftlichen Umgangs mit menstruierenden Menschen bewusst, wird einem die Absurdität dessen immer deutlicher.

Das Beispiel Werbung

Eines der beste Beispiele für den gesellschaftlichen Umgang mit der Menstruation ist die Werbung. Neutrale blaue Flüssigkeit repräsentiert hierbei immer noch häufig die ganz und gar nicht blaue Flüssigkeit, die bei der Menstruation aus der Vagina läuft. Aber authentische Farben wie verschiedene Rot- und Brauntöne für die Darstellung der in der Realität vorkommenden Farbtöne des Blutes und der abgestoßenen Schleimhaut zu verwenden, könnte ja unappetitlich oder gar zu viel Realität für die ein oder anderen Zuschauer*innen sein. Diese schauen lieber im Anschluss möglichst realitätsgetreues Blutvergießen in einem neuen Spielfilm und hierbei gilt natürlich: umso authentischer, desto besser!

Neben dieser offensichtlich falschen Darstellung der Menstruation vermitteln die Werbespots nicht nur das Gefühl, dass eine authentische Darstellung dieses Vorgangs abstoßend ist und damit unterbewusst ein Scham- und Ekelgefühl, sondern außerdem, dass menstruierende Personen nur durch die beworbenen Produkte „frisch, sauber und befreit“ von dem Monster der Menstruation sein können. Viele Spots spielen damit, dass man nur durch das Kaufen und Benutzen dieser Produkte frei und ungehindert leben kann. Dabei scheint das Wichtigste zu sein, dass es einem nicht angesehen wird, dass man gerade menstruiert.

Diese Beispiele zeigen nur ein paar Facetten des problematischen Umgangs mit dem Thema und somit menstruierenden Menschen, doch das Problem ist noch viel tiefer verankert als dieser kurze Artikel darstellen kann. Deshalb müssen wir auch in einen vermeintlichen Bildungsland wie Deutschland der Menstruation die Plattform geben, die es angesichts ihrer Allgegenwärtigkeit haben sollte. Jede Person, egal ob sie menstruiert oder nicht, muss mit dem Thema konfrontiert werden. Denn nur durch Aufklärung kann dieser Diskriminierung, die so schädlich für die psychische, aber auch die körperliche Gesundheit von menstruierenden Menschen sein kann, wirksam entgegnet werden. Menstruation muss an Sichtbarkeit gewinnen. Es kann nicht sein, dass viele, meist männliche Personen, sehr wenig bis gar kein Wissen über diesen zentralen Prozess haben. Dazu muss man nur einmal im eigenen Freund*innenkreis herumfragen.

Also lasst uns das Narrativ umschreiben: Jede*n geht Menstruation etwas an!

*dies ist nur ein Richtwert. Menstruation gesunder Menschen kann auch in längeren oder kürzeren Intervallen auftreten

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..