Die jungen Mächte – Afrikas neue Rolle in der Geopolitik

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Die Länder der afrikanischen Sahel-Zone galten lange als Verbündeter des Westens. Doch der Einfluss Europas in der Region schwindet rasant. Stattdessen etablieren sich hier mittlerweile vor allem Russland und China. Es ist das Egebnis einer kolonialen Denkweise. Und es sichert den finanziell ärmsten Ländern der Welt einen Platz auf internationalem Parkett.

Es ist ein mehr als ungewöhnlicher Vorfall in der Welt der Diplomatie: Vergangene Woche erklärte der Tschad den deutschen Botschafter Jan-Christian Gordon Kricke zur Persona non grata, zur unerwünschten Person, und forderte ihn damit auf, das Land innerhalb von 48 Stunden zu verlassen. Die Regierung des Landes im nördlichen Zentralafrika begründet diesen Schritt mit einer unhöflichen Haltung des Diplomaten. Dieser hatte das brutale Vorgehen des Präsidenten des Tschad Mahamat Idriss Déby Itno gegen Demonstrant:innen im vergangenen Herbst kritisiert.

Es ist das jüngste Ereignis in einer langen Kette diplomatischer Zwischenfälle und Distanzierungen zwischen europäischen Ländern, allen voran Deutschland und Frankreich, und den Staaten der sogenannten Sahel-Zone, der Region direkt südlich der Sahara. Der Klimawandel führt in der Sahel-Zone zu immer stärkeren Extremwetterereignissen wie schweren Dürren, die Region gilt als eine der ärmsten der Welt und die politischen Systeme wurden über die letzten Jahre hinweg zunehmend instabiler.

Mali und Burkina Faso liegen im Westen der Sahel-Zone. Neben ihrer geografischen Lage verbindet die beiden Länder eine ähnliche Geschichte: Bis zur Kolonialisierung bestand in der Region eine komplexe politische Kultur aus Völkern, Krieg, Diplomatie und Handel, welche in den 1880er Jahren durch die französischen Kolonialherren fast vollständig zerstört, und gegen ein rassistisches Besatzerregime ersetzt wurde. Erst seit 1960 sind die Staaten in neuen, durch Europäer:innen gesetzten Grenzen unabhängig. Seit dem ändert sich die politische Lage in den Ländern durch Militärputsche, Rebellionen und Bürgerkriege ständig.

Frankreich blieb dabei in der Regel Partner der Herrschenden. Seit der Kolonialzeit wird in der Region vor allem französisch gesprochen, Frankreich war lange Zeit unangefochten wichtigster interkontinentaler Handelspartner, zahlte sogenannte Entwicklungshilfen und bekämpfte den präsenten Terrorismus. Moralische Flexibilität war fur Frankreich dabei kein Hinderniss, auf mit Diktatoren oder Militärregimen wurde die Zusammenarbeit stets fortgesetzt. Damit sicherte sich die „Grande Nation“ aber auch alleinigen Zugang zu teils immensen Rohstoffvorkommen oder Standorte für strategische Militärbasen.

Doch mittlerweile erkennen viele Staaten der Sahel-Zone, dass hinter diesem Modell nicht viel mehr steckt als die Fortsetzung kolonialer Beziehungen. Sogenannte Entwicklungshilfe wird schließlich nicht aus Demut und Schuldbewusstsein vor vergangenen Verbrechen gezahlt, sondern aus aktuellem politischem Interesse. Sie erzeugt Abhängigkeit und Hierarchie.

Gleichzeitig erkennen die östlichen Weltmächte, Russland und China, das Potential in der Region: Sie ermöglicht es ihnen, Europa in seinem Selbstverständnis zu zerütteln, ihnen die Grundlage für ihre moralische Arroganz zu nehmen. Westliche Werte sollen nicht mehr das Ziel sich „entwickelnder“ Länder sein.

Russland unterstützt die malische Regierung deshalb mit Söldnern im Kapf gegen den mutmaßlichen Terrorismus. Seit 2021 kämpft die Gruppe Wagner in dem Land, die Gruppe die spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine durch ihre brutalen Taktiken und ihre Gewalt weltberühmt geworden ist. 2022 zog sich die französische Armee aus Mali zurück, nachdem Kämpfer der Gruppe Wagner rund 100 Menschen exekutierten, ohne zwischen Aufständischen und Zivilist:innen zu unterscheiden.

Und Russlands Arbeit in den Ländern zahlt sich bereits aus. Als im Oktober bei der UN-Vollversammlung über eine Verurteilung des russischen Krieges in der Ukraine abgetimmt wurde, enthielt sich Mali – die Vertreter von Burkina Faso erschienen nicht zur Abstimmung.

China setzt bisher eher auf wirtschaftliche statt auf militärische Maßnahmen, um die Beziehungen in die Sahel-Zone zu verbessern. So entstehen vielerorts Eisenbahnstrecken oder moderne Industrieparks, die von chinesischen Banken finanziert und von chinesischen Firmen geplant und oft in Rekordzeit aus dem Boden gestampft werden. Bevölkerung und Wirtschaft wachsen in Afrika derzeit so schnell wie auf keinem anderen Kontinent, schon bald werden viele Länder der Region entscheidend zur weltweiten Produktion beitragen. Ähnlich wie China lange die „Fabrik“ des Westens war, wird Afrika nun zur Fabrik Chinas.

Längst beschränkt sich der neue Einfluss Chinas und Russlands nicht mehr nur auf die Sahel-Zone. Im kommenden August wird in Südafrika die jährliche Konferenz der sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) stattfinden, zu er auch Wladimir Putin eingeladen ist. Eigentlich ist Südafrika Teil des Römischen Statuts, einer Gruppe von 123 Ländern, die sich zur Festnahme und Auslieferung von Menschen verpflichtet haben, die vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Menschenrechts- und Kriegsverbrechen angeklagt werden. Ein solcher Mensch ist Wladimir Putin, seit am 17. März gegen ihn Haftbefehl erlassen wurde.

Dass Südafrika Putin nicht festnehmen wird, ist aber bereits jetzt sicher. Zu groß wäre der damit verbundene internationale Zwischenfall. Stattdessen wird nun versucht, die Regelung zu umgehen, indem beispielsweise Staatoberhaupter in Südafrika per Gesetz von der Regel ausgenommen werden könnten oder der Gipfel, zumindest in Teilen, doch digital abgehalten wird. Die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor sagte dazu: „Wir werden uns Russland auf Geheiß anderer nicht zum Feind machen.“ Eine deutliche Botschaft in den Westen.

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