Vor ein paar Wochen wurde ich von einer Freundin gefragt, was ich von geschlechtergetrennter Sexualbildung, den meisten wahrscheinlich unter Sexualkundeunterricht bekannt, an Schulen halte. Als Masterlehramtsstudentin mit dem Fach Biologie habe ich mir die letzten Tage verstärkt darüber Gedanken gemacht und werde in folgendem ein paar dieser teilen. All diese Dinge basieren rein auf meinen bisherigen Erfahrungen als Aushilfslehrkraft und Studentin, spiegeln also nur meine Meinung wieder. Was für andere Lehrkräfte oder Lerngruppen funktioniert, kann und möchte ich nicht beurteilen. Dieser Artikel dient als Anregung von Diskussionen und stellt dabei eine Sammlung meiner ersten Impulse zu dem Thema dar.
Die Rolle der Schulen
Sexualität ist für Viele ein sehr intimes und stark emotionales Thema. Zugleich wird es schon lange kontrovers diskutiert. Besonders deshalb ist Sexualbildung ein zentraler Aspekt unserer sexuellen Gesundheit. Es kursieren tausende Mythen und Stigmata rund um dieses Thema zu beispielsweise Menstruation, Verhütung und Schwangerschaft. Auch die Gesellschaft beeinflusst maßgeblich, wie sich junge Menschen mit ihrem Körper auseinandersetzten. Das Wissen um die eigene Sexualität und Gesundheit ist eine wichtige Hilfe für Schüler*innen, um den eigenen Körper zu verstehen und zu akzeptieren. Deshalb kommt der Sexualbildung an Schulen eine so große Wichtigkeit zu. Leider kann die Qualität dieses Unterrichts stark variieren, aber grundsätzlich sollte jede Person im Laufe der Schulausbildung mehrfach mit dem Thema konfrontiert worden sein. Da Sexualität für fast jeden Menschen sehr persönlich und für viele stark schambehaftet ist, kommt den Schulen eine große Verantwortung zu, denn für viele Schüler*innen ist die Schule ihr wichtigster Zugang zu Aufklärung. Gespräche darüber im Elternhaus sind meist mit noch mehr Scham behaftet und Aufklärung auf Social Media Plattformen potenziell problematisch.
Was ist „gute“ Sexualbildung?
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die vielen Meinungen zu „guter“ Sexualbildung. Einige Stimmen fordern geschlechtergetrennten Unterricht wie es auch für Fächer wie beispielsweise Mathematik, Physik und Sport gefordert wird. Oft wird dabei genannt, dass sich gleichgeschlechtliche Gruppen besser austauschen können und dass weniger Scham und mehr Offenheit herrscht. Hierbei gilt die Prämisse, dass Personen des gleichen Geschlechts, ähnliche Erfahrungen machen und sich somit besser verstehen können. Schüler*innen sollen dadurch in einem „Safe Space“, also einem wertungsfreien und geschützten Raum, lernen, den eigentlich jedes physische sowie auch abstrakte Lernsetting innehaben sollte. Diesen wertungsfreien Raum zu schaffen sollte übrigens jeder Lehrkraft ein Anliegen sein, egal um welches Fach es geht.
Die oben genannten Punkte sind meiner Meinung nach alle valide, die Frage nach der Umsetzung ist hier aber entscheidend. Wird eine dauerhaft Trennung von Mädchen und Jungen in der Sexualbildung vorgenommen und werden dabei die Informationen auf den vermeintliche relevanten Teil für die jeweilige Gruppe beschränkt, birgt das ein großes Risiko, dass die Stigmatisierung natürlicher Vorgänger wie der Menstruation oder auch des ersten Samenergusses verstärkt werden könnten. Selbst wenn es bei der simplen Trennung bleibt und alle Gruppen von beiden Perspektiven lernen sollten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass aufgrund von Zeitmangel, Interesse oder schlichtweg Nachfrage verstärkt eindimensional unterrichtet wird. Dies kann dann zu Stigmatisierung und falschen Vorstellungen schlichtweg aus Unwissenheit führen. Außerdem missachtet die binäre Trennung der Schüler*innen beispielweise trans* und non-binäre Personen, die häufig sowieso schon negative Erfahrungen mit der Sexualbildung an Schulen machen und die so noch weiter verstärkt werden könnten. Eine Trennung würde außerdem nicht nur diese Gruppen an Lernenden bei der Aufteilung vernachlässigen, sondern auch die Bildung außerhalb des binären Geschlechtersystems. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass ein geschlechtergetrennter Unterricht verstärkt, spezifisch auf die binären Geschlechter eingehen könnte.
Es ist also immer eine Frage der Umsetzung. Versteht mich hierbei nicht falsch, ich sehe viel Potential in reduzierten, intimeren Gruppen und lehne eine Gruppenbildung nicht grundsätzlich ab, finde aber, dass eine gemeinsame Sexualbildung aller Personen einer Klasse zentral dafür ist, dass Personen aller Geschlechter nicht nur mit der Realität der weiblichen und männlichen Sexualität konfrontiert werden, sondern auch mit Realitäten, die außerhalb des binären Geschlechtersystem liegen (die also beispielsweise trans* Personen betreffen). Für mich geht es bei der Sexualbildung, wie bei jeder anderen Form von Bildung, vor allem darum Toleranz und Verständnis zu vermitteln. Dabei spricht wenig dagegen auch mal eine künstliche Trennung zu schaffen, um beispielsweise einen intimen Einstieg in das Thema zu ermöglichen. Insgesamt sehe ich aber mehr Potential in authentischen Lernsettings, die alle vereinigen und die Lebensrealität der Schüler*innen abbildet. Die Frage, die sich mir hier aufdrängt: „Kann ein geschlechtergetrennter Unterricht das leisten?“
Mein Fazit
Natürlich ist mir bei meiner ganzen Argumentation auch bewusst, dass der bisherige Unterricht meistens in einer gemischten Gruppe stattfindet und trotz allem die Stigmatisierung von vor allem der Menstruation in der Gesellschaft hoch ist. Trotz alle dem, plädiere ich weiterhin für einen Unterricht als Gemeinschaft, denn für mich sollte Sexualbildung die Lebensrealität aller Personen abbilden. Die viel wichtigere Frage für mich bleibt, wie Sexualbildung neu gedacht werden kann, denn die Qualität des Unterrichts hängt auch damit zusammen in was für einem System wir unterrichten. Ein Prozess des Neudenkens seitens der Lehrperson und nicht zuletzt der Schulbehörden, ist dringend notwendig, um geeignetere Räume (physisch und abstrakt) zu schaffen, die der intimen Natur der Sexualbildung besser dienen als Klassenräume.