Am Ende zahlen wir alle

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Das Geld in Berlin, es scheint zu fehlen. Zumindest wenn man sich den Doppelhaushalt für 2024/25 ansieht, der von der neu gewählten rot-schwarzen Regierung unter Kai Wegner vorgelegt wurde. Es macht den Eindruck, als hätte Wegners Regierung das Geld für den Berliner Haushalt fröhlich verteilt, bis ihnen am Ende auffiel, dass sie einen Bereich vergessen hatten – den Sozialen. Man wühlte noch einmal in den Taschen der leeren Berliner Kasse und zuckte dann entschuldigend mit den Schultern. Nun heißt es sparen für zahlreiche Berliner Bezirke, darunter sowohl das für seine wohlbetuchten Bewohner*innen bekannte Steglitz-Zehlendorf, als auch der Bezirk Neukölln, der ohnehin schon als Problemkind der Berliner Politik gilt.

Die Kürzungen treffen die Schwächsten der Gesellschaft. Dem Bezirk Neukölln fehlen pro Jahr 22,8 Millionen Euro um den Status Quo aufrecht zu erhalten. Da 80% der vom Senat zugewiesenen Gelder fest an bestimmte Projekte gebunden sind, muss bei den freien Ausgaben gespart werden: Personal und soziale Projekte. In Neukölln heißt das konkret: Der Wachschutz, sowie die Tagesreinigung an den Neuköllner Schulen entfällt. Spielplätze werden geschlossen und kaputte Spielgeräte nicht mehr repariert, ebenso wird die Müllentsorgung in Grünanlagen halbiert. Die Obdachlosenhilfe wird reduziert, Möglichkeiten für suchtkranke Menschen eingeschränkt. Drei Jugend- und Familieneinrichtungen werden geschlossen und Jugendreisen nicht mehr finanziert.

Steglitz-Zehlendorf hingegen klagt über das fehlende Geld aus dem Integrationsfond. Hier sollen vier Millionen Euro gespart werden. Der Fond kommt sonst für Integrationsprojekte wie Mentor*innen Programme für geflüchtete Kinder und Jugendliche, Gruppentherapien für geflüchtete Menschen, die Beratung des Diakonischen Werks oder die Arbeit des Ökumenischen Willkommensbündnisses Wannsee auf. Viele dieser Programme werden bei den aktuellen Einsparungen stark eingeschränkt oder komplett wegfallen. „Dass der bezirkliche Integrationsfond gekürzt wird, ist ein Skandal“, so Elif Eralp von der Linken. Auch Fabien Nehring, Integrationsbeauftragter des Bezirks Lichtenberg äußert sich zu den Kürzungen kritisch: „Angesichts zehntausender Geflüchteter und dem Ankommen immer weiterer Personen ist die Kürzungsentscheidung nicht nachzuvollziehen.“

Hinzu kommen Ungereimtheiten im Bereich der Antidiskriminierung. Zwar wurden hier knapp 9 Millionen Euro mehr zur Verfügung gestellt, allerdings müssen im kommenden Jahre alle Projekte einen Eigenanteil von 2% zahlen, bisher lag dieser Eigenanteil bei 0,5%. Das mag nach nicht viel klingen, bringt jedoch gerade kleine Projekte in eine bedrohliche Lage. Beispielsweise muss der Verein Ariba e.V. für das Projekt Reachout im nächsten Jahr statt 3.000 Euro Eigenmittel 14.000 Euro Eigenmittel aufbringen. Woher dieses Geld kommen soll, ist unklar. Von der neuen Regelung betroffen sind vor allem Projekte für LGBTQ+ und sexuelle Selbstbestimmung, aber auch Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Im Anblick des mehr als deutlichen Rechtsruck in Deutschland kein Bereich, in dem wir es uns aktuell erlauben können zu sparen.

Schaut man sich die Kürzungen an, so meint man fast, Kai Wegners Regierung hätte es ganz gezielt auf eine bestimmte Gruppe abgesehen: Menschen mit Migrationshintergrund, vor allem Jugendliche. Wegners Wahlkampf wurde getragen von den Krawallen der Silvesternacht, in der es insbesondere in Neukölln eskalierte. Bei massiven Angriffen auf Einsatz- und Rettungskräfte wurden 18 Beamt*innen verletzt, Fahrzeuge und Gebäude beschädigt und in Brand gesetzt. Schnell wurden nach den Angriffen in jener Nacht junge, migrantische Männer als Verursacher ausgemacht. Auch auf dem Rücken unseriöser Berichterstattung einiger deutschen Medien, begann so eine Hetzjagd auf Menschen mit Migrationshintergrund, die gar nicht wussten wie ihnen geschah. Erst später stellte sich heraus, dass 60% der mutmaßlichen Angreifer*innen Deutsche waren. Doch der Schaden war längst getan.

Die CDU unter Kai Wegner schoss kurz darauf in den Umfragen nach oben, nicht zuletzt, da Wegner versprach, eine Situation wie in jener Nacht nicht wieder vorkommen zu lassen. Dazu forderte die CDU die Herausgabe einer Liste der Vornamen der Verdächtigen und spielte damit der rechten Hetze in den sozialen Netzwerken nur noch mehr in die Hände. Wegner rechtfertigte sich im RBB-Inforadio und sprach von „passgenauen Präventionsangeboten“.

Nun scheint er diese besagten Angebote allerdings nicht mehr bezahlen zu wollen. Denn wer Integrationsprogramme und Jugendzentren schließt, kann nicht ernsthaft der Meinung sein, etwas für den sozialen Zusammenhalt und die Verbesserung der aussichtslosen Lage für zahlreiche junge Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin tun zu wollen. Gerade die Jugendarbeit ist eines der sträksten Instrumente, das wir haben, um junge Menschen zu verantwortungsvollen Individuen heranwachsen zu lassen und eben Situationen wie die in der Silvesternacht zu verhindern.

Jugendarbeit setzt da an, wo Eltern und Schule aufhören. Kompetenzen für kulturelle und politische Teilhabe werden nicht nur in der Schule gelernt und vermittelt, sondern auch in allen anderen Lebensräumen, die Jugendliche für sich gestalten. Jugendliche müssen sich von ihren Eltern distanzieren, um sich zu Erwachsenen entwickeltn zu können. Dafür brauchen sie eigene Räume, in denen sie Grenzen testen und eigene Erfahrungen machen können. Sie brauchen einen Rückzugsort und Schutzraum, sowie einen Treffpunkt mit Freund*innen. Gerade deshalb sind Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit so wichtig für unsere Gesellschaft. Nicht nur tragen sie maßgeblich zur Aufdeckung von Kindeswohlgefährdung bei (zuletzt waren auch hier die Fälle drastisch gesteigen), die Fachkräfte bieten auch ein offenes Ohr und Verständnis für die Probleme der Pubertät und des jungen Erwachsenenalters. Hinzu kommt Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf, denn diese Hilfestellung können nicht alle Eltern bieten. Die Angebote sind vielfältig und vor allem kostenlos.

Wer möchte, dass sich Jugendliche zu verantwortungsbewussten Bürger*innen entwickeln, der muss ihnen auch die Möglichkeit dazu geben. Wer zu Gewalt greift, ist meist ohne Perspektive, ohne Fähigkeiten der adäquaten Emotionsregulation und ohne Auffangnetz. Der Berliner Regierung, allen voran Kai Wegner sollte also etwas daran liegen, seine Bezirke mit ausreichend Mitteln auszustatten, sodass soziale Projekte nicht in den Abgrund gedrängt werden. Denn wer die Schwächsten der Gesellschaft zahlen lässt, der lässt am Ende alle zahlen. Teurer sparen geht fast nicht mehr.

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