Fotoquelle: Schälte, Bernd | Bildarchiv des Landtags Nordrhein-Westfalen
Am Sonntagabend, dem 15. Mai 2022, gegen 22:30 Uhr wird das Ordnungsamt Düsseldorf in die Wasserstraße 5 gerufen. Anwohner melden eine viel zu laute Party, aufgrund der zu lauten Musik sei sogar der Strom mehrmals ausgefallen. Als die Mitarbeiter des Ordnungsamtes eintreffen, finden sie weder eine WG-Party noch einen illegalen Rave vor. Quelle der Störung ist die Wahlparty im Garten der CDU-Parteizentrale.
CDU-Spitzenkadidat und seit einigen Monaten Ministerpräsident NRWs Hendrik Wüst hat allen Grund zu feiern. Obwohl die Umfragen der letzten Wochen ein enges Rennen zwischen seiner Partei und der SPD voraussagten, konnte er mit 35,7 Prozent der Zweitstimmen ganze neun Prozentpunkte vor der SPD abschließen. Diese verlor nach ihrem Negativrekord von 2017 erneut 4,6 Prozent.

Doch ganz so eindeutig, wie Wüst es feiert, ist das Wahlergebnis in Düsseldorf nicht. Die Party der CDU kann auch als deutliches Signal an die SPD verstanden werden: Ihr habt diese Wahl verloren, wir haben den Regierungsanspruch. Doch weil die FDP mehr als die Hälfte ihrer Stimmen verlor, ist eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition nicht mehr möglich. Um Ministerpräsident bleiben zu können, muss Wüst auf die Unterstützung der Grünen hoffen.
Nur auf der Wahlparty der Grünen gab es am Sonntagabend ähnliche Bilder zu sehen, wie aus der Wasserstraße 5. Mit einem Zugewinn von 11,8 Prozent sind die Grünen der eigentliche Wahlsieger. Ohne sie kann keine Koalition gelingen. Geht Wüst eine Koalition mit ihnen ein, wird ihn dies eine Menge kosten.
Doch darauf scheint er sich bereits vorbereitet zu haben. Im Wahlkampf ging Wüst immer wieder auf grüne Positionen ein, erklärte, man müsse die Wirtschaft im Land transformieren. Nachdem die Grünen wenige Tage vor der Wahl ein Papier mit zentralen Regierungszielen vorlegte, in dem unter anderem ein Kohlestopp bis 2030 und die Revision von Straßenbauprojekten enthalten ist, hieß es aus Kreisen der CDU, man könne sich in allen Punkten einig werden.
Ein Mitglied aus Hendrik Wüsts Regierungsteam erklärte gegenüber dem Spiegel allerdings auch: „Wenn es das Ziel der Grünen gewesen wäre, mit diesem Programm Schwarz-Grün zu verhindern, hätten sie ein anderes vorgelegt.“ Auch die Grünen scheinen also mit einer Koalition mit der CDU zu flirten.
Der Bevölkerung wäre diese Konstelation am einfachsten zu erklären, schließlich sind CDU und Grüne die klaren Gewinner der Wahl. Das scheint nun auch die SPD erkannt zu haben. Während sie sich am Sonntag noch bemühte, sich als zweiten Sieger darzustellen und eine Koalition mit Grünen und FDP ins Spiel brachte, erklärte SPD-Parteichef Lars Klinbeil am Montag nun, man habe „das Rennen um Platz eins deutlich verloren“. Damit zieht er die Karte des SPD-Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty praktisch aus dem Rennen um den Posten des Ministerpräsidenten. Man wolle zwar gesprächsbereit bleiben, aber „Herr Wüst ist nun derjenige, der die Gespräche führt.“
Eine Ampelkoalition hätte zumindest auch einen faden Beigeschmack. Schließlich sind SPD und FDP die eindeutigen Verlierer dieser Wahl. Die FDP musste zeitweise sogar um ihren Einzug in das Landesparlament bangen. Es ist das zweite Horrorergebnis für FDP-Chef Christian Lindner. Erst letzte Woche verlor seine Partei in Schleswig-Holstein rund die Hälfte ihrer Stimmen und landete mit 6,4 Prozent ebenfalls im Dunstkreis der Fünf-Prozent-Hürde.
Im Koalitionspoker halten die Grünen nun die besten Karten in der Hand. Sollte die CDU ihnen nicht weit genug entgegen kommen, können sie sich sicher sein, bei Thomas Kutschaty und seiner SPD auf offene Ohren zu stoßen. Dazu wird es aber aller Voraussicht nach nicht kommen. Hendrik Wüst wäre schlecht beraten, die Grünen zu vergraulen. Doch so kompliziert, wie es die SPD zunäächst aussehen lassen wollte, scheint es für die Grünen nicht zu sein. Wenn für Hendrik Wüst jetzt alles glatt geht, gibt es in der Wasserstraße 5 in einigen Monaten wieder einen Grund zu feiern.