Der Tod der in Iran lebenden Kurdin Jina Amini am 16. September 2022 ist nun bald ein halbes Jahr her. Die darauf folgenden Proteste halten noch immer an. In den letzten zwei Monaten wurden laut Amnesty International bereits über 90 Hinrichtungen vollzogen, welche zum Vorjahrreszeitraum einen alamierenden Anstieg zeigen. Die größte Anzahl der Hingerichteten ist dabei Teil einer Minderheit. Außerdem kursieren Berichte durch das Internet, die von sexuellen Übergriffen vor der Hinrichtung von Mädchen und jungen Frauen sprechen. Die islamische Republik Iran scheint allerdings keinen Zentimeter weit nachzugeben und auf die Aufforderungen der Demonstrationen einzugehen. Die Lebensumstände für Mädchen und Frauen im Iran verschlimmeren sich täglich.
Ständige Angst
Unter den Protestierenden waren neben Studierenden in Universitäten auch viele Schulmädchen, die auf ihren Pausenhöfen gegen das Zwangstragen des Schleiers demonstrierten. Das Center for Human Rights in Iran berichtet mittlerweile von ganzen Mädchen-Schulen die vergiftet wurden. Mindestens eines der Mädchen starb bereits an den Folgen der Vergiftung. Mehrere befinden sich in einem kritischen Zustand. Die gezielten Vergiftungen erfolgten in den größten Metropolen Irans: Teheran, Qom, Sari, Ardabil, Boroujerd, Torbat Jam und Qoochan. Die Inhalations-Vergiftungen können bis zu November letzten Jahres, zwei Monate nach Beginn der Proteste, zurückverfolgt werden. Human Rights Iran vermutet, dass hinter den Attacken extremistische Religiöse Kräfte stecken.
Falsche Nachrichten
Die iranischen Autoritäten versuchten die Nachrichten über den Tod der 11-Jährigen Fatemeh Rezaie, die in Qom zur Schule ging, zu unterdrücken. Auch die Familie der toten Schülerin wurde aufgefordert, nicht mit Journalist:innen zu sprechen und sie ohne großes Aufsehen zu beerdigen. Fatemehs Vater arbeitet für einen einflussreichen Religiösen, wodurch die Annahme besteht, dass er sowieso schon unter Druck von iranischen Geheimdiensten stand. Zusätzlich soll er gezwungen worden sein, falsche Statements über den Tod seiner Tochter zu machen, das im iranischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde.
Am 24. Februar schätzte der reformistische Politiker Jamileh Kadivar, dass mindestens 400 Schülerinnen wegen den Folgen der Vergiftungen hospitalisiert werden mussten. Zwei Tage darauf sagte der Bildungsminister Younes Panahi in einem Presse-Gespräch, dass die Vergiftungen geplante Versuche einiger Einzeltäter:innen seien, Schulen komplett zu schließen. Ein:e anonyme:r Angestellte:r des Medical Sciences University in Khorramabad, berichtete laut Human Rights Iran davon, dass die Regierung spezial ausgebildete Militärskräfte zum Krankenhaus schickte, die die Bluttests der Mädchen machen und auswerten sollen.
Niemand ist sicher
Der im Iran gebürtige Deutsche Jamshid Sharmahd wurde beim Durchreisen in Dubai von Agenten der islamischen Republik festgenommen und in den Iran gebracht, wo dann ebenfalls eine falsche Aussage erzwungen worden sei. Laut dem CHRI lag seiner Festnahme die gewollte Angsteinflößung der iranischen Bevölkerung sowie Deutschlands Kritik an der iranischen Regierung einzudämmen zu Grunde.
Die Gift-Anschläge auf studentische Wohnheime und Schulen alamieren mittlerweile mehr und mehr Eltern. Eine 47-Jährige Mutter aus Teheran erzählte der Deutschen Welle, dass es nun auch Proteste von den Eltern vor den Schulen gibt und dass natürlich auch viele Eltern in Erwägung ziehen, ihre Kinder nicht mehr zur Schule zu schicken. Der Koordinierungsrat der iranischen Lehrergewerkschaften ist ebenfalls alarmiert und rief zu landesweiten Protesten in der kommenden Woche auf. Im Internet berichten Iraner:innen von den zahlreichen Anschlägen auf die Schulen und ein Großteil gehe davon aus, dass eine Absicht hinter den koordinierten Anschlägen steckt. Obwohl der von Interpol gefahndete Innenminister Vahidi zuvor das Gegenteil behauptet hatte. Die kürzlich aus dem Iran geflohene Journalistin Hadschisadeh erinnern die Giftanschläge an geplante Säureattacken in Isfahan, vor nun fast 10 Jahren, die auf Frauen abzielten, die ihren Hidschab „unvollständig“ getragen hatten. Die männlichen Täter wurden nie verurteilt.
Die Vereinten Nationen fordern Aufklärung
BBC berichtet von nun fast 1000 betroffenen Schüler:innen und Lehrer:innen der Gas-Anschläge seit dem Beginn der Proteste. Nicht nur die Lehrer:innen und Eltern der Schüler:innen wünschen sich eine lückenlosen Aufklärung. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock fordert diese und betont, dass Mädchen ohne Angst zur Schule gehen müssten. Woran sich die Vereinten Nationen anschlossen.