Die Frau im Film – vom Male Gaze, Bechdel-Test und sexy Stehlampen

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Disclaimer: Bei der Verwendung der Wörter männlich und weiblich, sowie Mann und Frau, beziehe ich mich auf die gesellschaftliche cis-heteronormative Binärität. Ich vetrete nicht die Meinung, dass eine Person bestimmte Merkmale erfüllen muss um sich als männlich, weiblich, nicht-binär oder genderfluid zu identifizieren.

Nur 4% alle Regisseur:innen sind weiblich. Oder in aboluten Zahlen: Auf 657 männliche Regisseure kommen nur ganze 47 Frauen. Das hat eine Studie von 2019 ergeben, die die jeweils 100 erfolgreichsten Filme des Jahres von 2007 bis 2018 auf Rollenverteilungen vor und hinter der Kamera analysierte. Auch bei den Hauptcharakteren zeigt sic h ein Ungleichgewicht, auch wenn sich dieses immerhin langsam aber stetig zum besseren neigt. Im Jahr 2018 gab es in 100 Filmen immerhin schon in 39 eine weibliche Hauptrolle, 2007 waren es erst 20. Trotzdem sind weiterhin weniger als ein Drittel aller Charaktere weiblich – das entspricht nicht wirklich der Geschlechterverteilung auf der Straße. Diese Charaktere sind dann trotz ihrer Unterzahl auch noch wesentlich häufiger nackt und häufiger sexualisiert als ihre männlichen Counterparts. Interessanterweise konnte die Studie zeigen, dass der Anteil der weiblichen Figuren um 15% steigt, wenn Frauen die Filme inszenierten. Ein starkes Indiz dafür, dass sich die Unterrepräsentation von Frauen hinter der Kamera auch auf die Frauen vor der Kamera auswirkt.

Dabei ist die gleichberechtigte Repräsentation aller Geschlechter in Film und Fernsehen so wichtig. Medien wie diese haben die Kraft das Wissen und Verständnis ihres Publikums über wichtige Themen zu formen. Charaktere aus unseren Lieblingsfilmen und -serien sind nicht selten auch unsere Vorbilder. Gerade Kinder sind heute immer häufiger Medien und damit auch den darin enthaltenen Repräsentationen von Geschlechterrollen ausgesetzt. Werden dort stereotype Verhaltensweisen gezeigt, schon allein dadurch, dass Frauen nie eine Hauptrolle spielen, lernen Kinder automatisch, dass Frauen eben in der Welt nur eine Nebenrolle einnehmen können. Frauen in Filmen spielen außerdem häufiger Rollen, die sich um ihr persönliches Leben drehen, während Männer häufiger Rollen mit Berufskontext verkörpern. Frauen in Filmen sind dünn und wunderschön, sie begehren selten auf, sind emotional und passiv. Meistens sind sie ihre einzigen Attribute „Muttersein“ oder „Ehefrausein“ und sie werden übermäßig sexualisiert. Solche Fehl- und Missrepräsentationen können dazu führen, dass sich Mädchen geringere Ziele in der Schule und Karriere setzen, Probleme mit ihrem Körper entwickeln oder häufiger an Esstörungen und Depressionen erkranken.

Dasselbe Problem trifft queere Charaktere. Auch diese sind meist unterrepräsentiert oder werden nur reingeschrieben, damit die Drehbuchautor*innen einen Haken auf ihrer Checkliste zur Diversivizierung des Manuskripts abhaken können. Meistens unterliegen zahlreichen stereotypen Verhaltensweisen und Tropes, wie z.B. dem Trope des „schwulen besten Freundes“ oder sie sind sehr eindimensional geschrieben und ihre gesamten Probleme drehen sich um ihre queere Identität. Normale Leben mit normalen Problemen haben sie nicht.

Männer machen Kino für Männer

Wie kommen aber nun diese Stereotype überhaupt in die Filme hinein? Eine Antwort auf die Frage bietet der Begriff des „male gaze“ aus der Filmtheorie. Dieser beschreibt den Prozess, in dem Frauen in der Filmwelt von einer männlichen, heterosexuellen Perspektive dargestellt werden, um den Bedürfnissen des männlichen Betrachters zu entsprechen. Dabei wird zwischen drei Perspektiven unterschieden: Erstens die Perspektive der Kamera auf das Geschehen, dazu gehören Kamerafahrten und -Einstellungen aber auch Schnitte und Editing. Zweitens die Perpektive der männlichen Charaktere auf ihre weiblichen Counterparts, also das gespielte Verhältnis der Schauspieler untereinander und drittens die Perspektive des Publikums. Das Ergebnis daraus ist, dass das Kino Frauen als Objekt der Begierde darstellt und sie mehr dafür da sind, schön auszusehen, als mit ihrem Handeln direkten Einfluss auf die Erzählung zu nehmen. Mittlerweile wurde der Begriff auch als „oppositional gaze“ (dieser bezieht sich auf die Unterrepräsentation von schwarzen Frauen) weitergedacht und die Theorie mit dem „queer gaze“ um eine queere Perspektive erweitert. Das bedeutet aber auch, dass alle, die sich den Film anschauen, den „male gaze“ ebenfalls einnehmen müssen. Man hat gar keine andere Wahl als der Kamera zu folgen, wenn sie langsam von unten über den Körper der Schauspielerin fährt oder zuzusehen, wie der weibliche Charakter wieder nur zuhört, anstatt selbst endlich mal das Wort zu ergreifen. Dadurch wird eben auch der Befriedigung des Bedürfnisses männlicher, heterosexueller Männer mehr Gewicht gegeben. Genauer gesagt, Männer machen Filme eher für Männer.

Dennoch zeigen nicht alle Filme und Serien unserer Popkultur Missrepräsentationen von Frauen oder queeren Charakteren. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Serie „Orange is the new black“, welche die Geschichten verschiedener Frauen in einem Gefängnis erzählt. Schon in der Wahl des Handlungsortes – einem Gefängnis, das bisher eher als maskulines Setting galt – werden Stereotype gebrochen. (Die Serie wurde übrigens von Jenji Kohan geschrieben und basiert auf den Memoiren von Piper Kerman, beides Frauen.) Auch die britische Netflix Serie „Sex Education“ bricht auf herzerwärmende Weise stereotype Rollenbilder, beispielsweise indem sie Eric nicht nur die Rolle des „schwulen besten Freundes“ zuschreiben, sondern ihn seine eigene Geschichte erleben lassen, mit seinen eigenen Problemen und Erfahrungen – auch außerhalb seiner queeren Identität.

Der Bechdel-Test: Eine ziemlich tiefe Messlatte

Um zu testen, ob ein Film Frauen in stereotyper Weise darstellt gibt es den Bechdel-Test, ein statistisches Hilfsmittel, um auf Geschlechterklisches in der Filmindustrie aufmerksam zu machen, in dem der Film auf eigenständige weibliche Charaktere geprüft wird. Um den Bechdel-Test zu erfüllen, müssen folgende drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden:

  1. Gibt es mindestens zwei weibliche Charaktere, die einen Namen haben?
  2. Reden sie miteinander?
  3. Unterhalten sich sich über etwas anderes als einen Mann?

Schon anhand der Fragen wird deutlich, dass der Test die Messlatte nicht besonders hoch ansetzt und daher auch kein hinreichendes Kriterium dafür ist, ob ein einzelner Film (nicht-)sexistisch ist. Dennoch ist es interessant zu sehen, wie viele Filme auch heute immernoch diesen einfachen Test nicht bestehen. Beispielsweise der aktuelle Kinohit „Tenet“ von Christopher Nolan. In diesem Film gibt es eine Menge Frauen, jedoch haben nur zwei einen Namen und keine einzige Frau spricht je mit einer anderen. Ein anderes Beispiel ist der Film „Yesterday“, eine Hommage an die Beatles oder das Sequel des erfolgreichen DC Films „Deadpool“. Und es gibt noch eine Menge weitere (eine ausführliche Liste findet ihr hier).

Ersetzt durch eine sexy Stehlampe

Einigen zynischen Zuschauer:innen ist die Messlatte dennoch nicht tief genug. Daher kam in den letzten Jahren im Internet ein weiterer Text auf: Der „sexy Stehlampen Test“. Dieser lautet in etwa: „Wenn man die weibliche Rolle durch eine sexy Stehlampe ersetzen kann und sich dadurch an der Handlung nichts ändert, besteht der Film den Test nicht“. Filme, die selbst diesen Test nicht bestehen, sind einfach schlecht geschrieben. Und tatsächlich gibt es einige prominente Beispiele: Penny in der ersten Staffel von „The Big Bang Theory“ (sie steht tatsächlich meistens einfach nur rum und sieht hübsch aus und trägt absolut nichts zur Handlung bei), „Superman: Man of Steel“ (Lois Lanes einzige Aufgabe ist es, vom Himmel zu fallen, das hätte auch eine Lampe geschafft) oder „The Great Gatsby“. Würde man Daisy Buchanan mit einer sexy Lampe ersetzen, würde sich absolut nichts ändern, der Film würde sich immernoch um den Streit um ein Objekt der Begierde – denn mehr ist Daisy in dieser Geschichte nicht – zwischen zwei gruseligen, reichen Männern drehen. Übrigens gibt es auch männliche Stehlampen in der Filmwelt, haltet beim nächsten Filmabend mal danach (und nach den zahlreichen weiblichen Stehlampen) Ausschau.

Das Ergebnis all dieser Tests bleibt dasselbe: es braucht mehr Frauen hinter der Kamera, damit die Frauen vor der Kamera adäquat repräsentiert werden. Es braucht mehr als queere Token-Charaktere und stereotype Tropes. Die Filmwelt braucht eine echte Diversifizierung, damit gesellschaftliche Verhältnisse auf der Leinwand genauso abgebildet werden wie im echten Leben. Damit alle Menschen repräsentiert werden und alle Kinder Vorbilder haben können, die wahre Helden sind und eben nicht nur Nebenfiguren im schillernden Leben eines heterosexuellen Mannes.

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