Kommentar
Nach der UN-Klimakonferenz in Glasgow COP26, die vom 31. Oktober bis zum 12. November stattfand, warnten viele Wissenschaftler:innen und Klimaaktivist:innen erneut vor den Folgen des Klimawandels. Während die Staaten des globalen Nordens Haupt-Emissionsverursacher sind, treffen die meisten und stärksten Folgen des Klimawandels besonders die Staaten, die nur einen Kleinstanteil der globalen Emissionen verursachen.
Klimaaktivistin Greta Thunberg warnte zudem vor dem Greenwashing, welches sowohl Politiker:inne:n als auch Unternehmen betreiben würden. Letzendlich ginge es nur wieder darum, uns Menschen etwas vorzuhalten, um weiterhin Kapital aus der Ausbeutung von Umwelt und Menschen schlagen zu können. Ob Pariser Abkommen oder COP26 – was feststeht ist, dass die Wirtschaft den meisten Einfluss auf die Klimakatastrophe als auch auf klimapolitische Entscheidungen beibehält. Auch auf der COP26 selber musste der britische Premier Johnson zugegeben, dass nicht alle Klimaziele erreicht worden, schreibt der ZDF auf seiner Internetseite. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Klimaforscher Johan Rockström, sieht die Ergebnisse der Klimakonferenz ebenfalls sehr kritisch. Sie seien ein Fortschrift aber lange nicht ausreichend. Wie kann also eine Zukunft unter diesen Umständen aussehen? Wie wird unsere Zukunft als Mensch aussehen? Gibt es überhaupt eine?
Zurück in die Zukunft: Klimaneutrale Städte
Die Stadt Lahti ist eine 120.000 Einwohner:innen große Stadt, die besonders seit zwei Jahren mehrfach international in den Medien präsent war. Bereits 2025 schon soll sie klimaneutral sein. Erst diese Woche veröffentlichte der Spiegel online ein Interview mit der Leiterin des Umweltamtes von Lahti. Saara Vauramo gibt sich darin optimistisch. Viele der Einsparungen von Emissionen kämen durch das Recyclen von Abfällen. Lahti habe eines der effizientesten Müllheizkraftwerke. Was fehlt werde mit Bio-Masse von Holzabfällen ausgeglichen, sagt Vauramo dem Spiegel gegenüber. Auch habe es Tests von App-Prototypen gegeben, bei denen Menschen freiwillig ihre Emissionsdaten angeben und für geringe Emissionen Gutscheine oder Ermäßigungen für zum Beispiel Bus oder Kino erhalten.
Laut BBC Online haben sich 25 Metropolen („mega-cities“) zum Ziel genommen, bis 2050 carbon-neutral zu werden. Das größte Problem liege dabei im Transport, schreibt der BBC. Um dem entgegen zu wirken, haben viele Städte Niedrig-Emissions-Zonen eingerichtet, in denen zu Transportmitteln mit geringerem Emissionsausstoß gegriffen werden muss. Auch einige deutsche Städte führten beispielsweise die Umweltplaketten ein. Ziel dabei war es, den Schadstoffgehalt in der Luft zu veringern. Ein Großteil der globalen CO2-Emissionen käme neben dem Transport auch vom Bauen, Instandhalten und Benutzen von Gebäuden. Um diese Werte zu verbessern, müssen Gebäude mit intelligenten Wärme- bzw. Kältespeichern gebaut werden. Die meisten Emissionen fielen nämlich erst nach dem fertigen Bau eines Gebäudes an.
Mit Unverpacktläden die Welt retten?
Wie am Beispiel von Lahti und in mittlerweile einem Großteil der Werbung beobachtet werden kann – ob auf Youtube oder im Fernsehen – schnell werden die eigentlichen Ursachen der Kilmakatastrophe und deren Behebung als Aufgabe der Verbraucher:innen dargestellt. „Du willst das Klima retten? Kauf dir ein Elektroauto. Oder diesen Rucksack aus recycelten Materialen. Dein Essen kannst du doch einfach in Unverpacktläden einkaufen? Diese Tafel Schokolade für 4€ ist bis 2030 nur aus nachhaltigem Kakao, versprochen. Die Verpackung ist auch * aus recycelten Materialen (* zu 20%). Zusammen machen wir den Unterschied. Du brauchst halt nur viel Geld, um das Klima zu retten.“
Klimaschutz ist ein Verkaufsschlager. Einer, der uns allen das Gefühl gibt, gleich viel Schuld zu haben am unabdingbaren Klimawandel. Einer, der uns als ärmerer Teil der Bevölkerung ein schlechtes Gewissen aufzwingen kann. Sorry, musste meine Miete bezahlen. Ich kann das Klima jetzt garnicht mehr schützen, in dem ich Produkte kaufe, deren Produktion wortwörtlich wieder für weitere Emissionen sorgt. Wir als Endverbraucher sind aber eben nicht alle gleich stark beteiligt an den Emissionen. Wie oben bereits erwähnt, gibt es da einmal den riesigen Unterschied zwischen den Emissionen von Industrieländern und Ländern des sogenannten globalen Südens. In jedem einzelnen Land gibt es dann zusätzlich nochmal einen teilweise zehnfachen Unterschied zwischen den Emissionen der reichsten paar Prozent und denen des ärmeren Großteils. Schon 2020 ergab eine Studie von Oxfam, dass die reichsten 10% der Gesamtbevölkerung – und nicht wie angenommen die gobale Mittelschicht – für über die Hälfte aller Emissionen weltweit schuldig ist. Selbst die reichsten 1% der Weltbevölkerung sind schon für doppelt so viele Emissionen wie die ärmere Hälfte der Gesamten Menschheit schuldig. Auch schreibt Oxfam auf deren Internetseite, dass das Emissionsbudget, um die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen, schon zu über einem Drittel von den reichsten 10% verbraucht wurde. Während wiederum die ärmeren 50% der Weltbevölkerung nur 4% des Emissionsbudgets verbraucht haben. Wer viel Geld hat, kann sich auch viel leisten. Wer viel Geld hat, kann dem Klima auch mehr schaden. Doch anstatt der Ungleichheit zwischen Arm und Reich entgegenzuwirken, wird die Schere zwischen Arm und Reich seitdem die meisten von uns denken können täglich größer. Auch mit der Pandemie beschleunigte sich der Prozess nur noch weiter. Das geht aus einem Beitrag des ZDF Online hervor. Die Folgen des Klimawandels treffen jedoch die ärmsten Menschen am härtesten. So wird es auch in Deutschland sein und so ist es bereits schon für viele Menschen, die dem Klimawandel zum Opfer gefallen sind.
Was ganz nebenbei auch nicht vergessen werden sollte: 70% der weltweiten CO2-Emissionen sind seit 1988 ausschließlich von nur 100 Konzernen verursacht worden. Dabei handelt es sich zum Großteil um Energie-Gewinnung. Dennoch rät Shell uns Verbraucher:innen saisonal zu essen und zu recyceln. Auch das Konzept „CO2- Fußabdruck“ stammt von dem Erdölkonzern BP. Das schreibt Kontrast auf deren Internetseite und hinterlegt dazu auch anschauliche Grafiken.
Mit Atomkraftwerken das Kilma schützen?
Klimakonferenzen funktionieren nur auf eine Art und Weise. Die Politik muss der Wirtschaft Vorschläge oder Anreize geben und hoffen, dass diese mitzieht. Wie auch bei der auf dem G20 entstandenen InsuResilience Global Partnership oder der (grünen) EU-Taxonomieverordnung. Ein Großteil aller Maßnahmen zielt darauf ab, einen möglichst großen Anreiz durch hohe Gewinne mit „grünen Investments“ entstehen zu lassen. Ob für reiche Privatpersonen oder Unternehmen verschiedenster wirtschaftlicher Zweige. Unternehmen sollen Anreize gegeben werden, etwas „Gutes“ fürs Klima zu tun. Was jetzt aber beispielsweise als nachhaltig und somit als grünes Investment deklariert wird – einige mag es noch überraschen, den Großteil wahrscheinlich nicht mehr – ist aber garnicht unbedingt nachhaltig. Die Chancen stehen aktuell zum Beipiel sehr gut, dass die EU Atomkraftwerke als nachhaltig deklariert. Mehr zu (nicht) nachhaltigen Geldanlagen und „grüner“ Atomkraft, kann in diesem Artikel der taz gelesen werden.
Mit Elektroautos in den Weltuntergang
Wie auch Elektroautos enthalten viele grün-vermarktete Zukunftstechnologien eine enorme Menge an Rohstoffen wie zum Beispiel Lithium, Kupfer oder Kobalt. Fast 100% der in Deutschland verwendeten Rohstoffe kommen aus dem Ausland. Für die Gewinnung dieser endlichen und somit nicht nachhaltigen Rohstoffe wird sowohl die Natur zerstört und verschmutzt als auch Menschen ausgebeutet oder gar von ihrem Zuhause vertrieben. Dabei landen jährlich etwa 100 Eifeltürme an Elektroschrott (über 1 Mio. Tonnen) allein in Deutschland, im Müll – ohne wiederverwertet zu werden. Mehr Zahlen,Fakten und Grafiken zu diesem Thema gibt es in diesem anschaulichen PDF des AK Rohstoffe.
Brandbeschleuniger ist dabei unsere Wegwerfgesellschaft. Skandale wie die zurückgesandten Elektrogeräte von Amazon, die dann im Müll landeten, wurden bekannt. Eine Prüfung der zurückgesandten Artikel sowie Neuverpackung war wohl teurer als beispielsweise das Herstellen eines neuen Kühlschranks. In allen sozialen Netwerken als auch in unserem Alltag allgemein geht es ebenfalls darum möglichst schnell, möglichst viel Neues zu konsumieren. Neue Smartphones, Autos und (Fast) Fashion werden zu Statussymbolen oder gar schon zu kurzlebigen Konsumgütern. Ein schnelles Kaputtgehen ist dabei oft gewollt von den Konzernen, das schreibt bereits der BR in einem Puls Artikel von 2014. Was kürzer hält, muss schneller nachgekauft werden und macht somit mehr Geld.
Geld regiert das Weltende
Die Politiker:innen und Konzerne haben uns demonstrieren gesehen. Klimapolitische (oder anti-klimapolitische) Aussagen verhalfen so einigen Parteien, Stimmen für die kürzliche Bundestagswahl zu gewinnen. Verschiedenste Klimagipfel stellten Ziele vor, die dann nicht erreicht wurden. Währenddessen lächeln uns Politiker:innen nett durch Maske und Kamera zu, während sie sich händeschlagend (oder eben nicht) auf neue wirtschaftliche Deals einigen. Auf unseren Smartphones, Computern und im Fernsehen beschwichtigen uns Konzerne, dass ihre Produkte definitiv gut fürs Klima seine und dass wir sie deshalb unbedingt kaufen sollten. Eine grüne PR-Welle, die mit jedem Mittel für größtmögliches Wohlfühlen sorgt.
„Zusammen schaffen wir das“ – während wir auf einem langsam sinkenden Boot sitzen, mitten im Meer, ohne Land in Sicht. „Zusammen schaffen wir das“ – während die Reichsten, die verantwortlich für den schnellen Klimawandel sind, uns nochmal das letzte Geld aus den Taschen ziehen. „Zusammen schaffen wir das“ – dann lachen sie uns aus, zünden sich noch eine letzte Zigarre an, bevor sie in ihr Raumschiff zum Mars steigen, ihren Zigarrenstummel ins öl-verseuchte Meer schnippsen und alles in Flammen aufgeht.