
Kommentar
Seit Putins Angriff auf die Ukraine sind sowohl die Nachrichten als auch die sozialen Netzwerke voller Bilder, Videos und Berichten um und aus der Ukraine. Regierungen, große Konzerne oder berühmte Personen wie Musiker:innen bekennen sich solidarisch mit der Ukraine. Spenden- und Hilfsaufrufe werden täglich und millionenfach geteilt. Auch die Deutsche Bahn machte Schlagzeilen mit dem Angebot, Geflüchtete aus der Ukraine kostenlos das Bahnfahren zu ermöglichen. Ein schönes warmes Gefühl ist das – Solidarität mit allen Menschen. Dieser Zusammenhalt, das Gemeinschaftsgefühl. Schade aber, dass diese Solidarität so schnell scheitert. Und zwar dann, wenn Flüchtende nicht weiß sind.
Jessica Orakpo, eine Nigerianische Studentin, berichtet in einem Video auf der Seite des BBC, von Rassismus, der bereits bei dem Verlassen der Ukraine startet. Flüchtende Menschen, die die Ukraine verlassen wollen, müssen von ukrainischen Grenzkontrolleur:inn:en die Ausreiseerlaubnis bekommen. Jessica Orakpo schildert die rassistische Diskriminierung, die sie während der Flucht erfahren hatte. Ein ukrainischer Beamter hinderte sie daran in einem Bus zu steigen, der speziell für Flüchtende fahren sollte. Mit der Aussage „Nur Ukrainer:innen, das ist alles“, sie als BPoC solle laufen, wurde ihr der ohnehin schon schwerer Weg nur noch schlimmer.
Neben der menschenverachtenden, rassistischen Priorisierung gibt es auch weitere behördliche Hürden. Während Ukrainer:innen ohne Visum im die EU fliehen können, brauchen Bürger:innen afrikanischer Staaten ein Schengen-Visum, um zum Beispiel nach Polen, Rumänien oder Ungarn zu gelangen. Auch das schweizer nachrichtenportal Watson berichtet, dass circa ein Viertel der ausländischen ukrainischen Student:innen aus Ländern wie Nigeria, Ägypten oder Marokko kommen. Schlangen an den Grenzen aus der Ukraine heraus teilen zwischen BPoC und weiße Flüchtende. Während sich die Schlangen für weiße Flüchtende schneller bewegen, müssen die Menschen aus der anderen Schlange tagelang ohne Wasser- oder Nahrungsmittelvversorgung bei kalten Temperaturen ausharren. Aus der Ukraine müssen sie raus, doch selbst während die Ukraine bombadiert wird, wird PoC, zum Beispiel auch Inder:innen, die Flucht noch weitererschwert.
Auch andere in der Ukraine studierende BPoC berichten von einer Priorisierung in Zügen. Weiße Menschen dürfen passieren, während BPoC teilweise aggressiv daran gehindert werden. Wer davon glaubt, dass sich dies in Deutschland nicht ähnlich verhält, muss noch nicht verstanden haben, dass sich Rassismus durch die ganze Welt zieht, sowohl durch Europa als auch durch Deutschland.
Während die Deutsche Bahn mit kostenlosen Fahrten für Geflüchtete wirbt, gibt es bereits Berichte davon, wie auch in Deutschland PoC explizit aus Zügen gezogen und weiter an ihrer Flucht gehindert wurden. Anfang diesen Monats hatten Polizist:innen in Frankfurt an der Oder die Anweisung, flüchtende PoC aus dem Zug auf der Fahrt zum Berliner Hauptbahnhof zu ziehen, so berichteten Helfer:innen, die am Hauptbahnhof auf die Einfahrt des Zuges warteten, der sich dadurch verspätete. Die Polizei zog nur nicht-weiße Flüchtende aus dem Zug. Auch der Polizeisprecher der Bundespolizei Frankfurt bestätigte laut der TAZ, dass es sich beim Großteil der Flüchtenden ausschließlich um BPoC handelte, denen die Weiterfahrt verhindert wurde. Gleichzeitig wies er aber alle Rassismus-Vorfwürfe zurück.
Dass die deutsche Polizei Racial Profiling betreibt, ist seit Jahren bekannt. Auch dass es dazu explizite Anweisungen gibt. All das ist jedoch nur ein Indikator des eigentlich noch viel tief greifenderen Rassismus, der in Deutschland herrscht. Selbst fliehenden Menschen wird nicht die selbe Art von Menschlichkeit anerkannt. Noch immer ist nicht jeder Mensch gleich und noch immer hat nicht jeder Mensch die selben Menschenrechte. Auch nicht in Deutschland.