Johnny Depp und Amber Heard
Der Promiprozess der Menschheitsgeschichte. Kaum ein anderer Gerichtsprozess hat so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie der von Johnny Depp und Amber Heard. Was unter anderem daran liegt, dass der gesamte Prozess öffentlich auf YouTube gestreamt wurde. Während der „Closing Arguments“ am Dienstag den 26. Mai verfolgten zeitweise bis zu 1,1 Millionen Menschen den Livestream. Johnny Depp und Amber Heard verklagen sich gegenseitig auf Verleumdung, Depp fordert 50 Millionen USD Entschädigung, Heard 100 Millionen. Begonnen hatte die Geschichte schon vor langer Zeit, als Amber Heard 2018 in einem Artikel der Washington Post davon berichtete, Opfer von häuslicher Gewalt gewesen zu sein. Obwohl sie Johnny Depps Namen nicht erwähnte, war doch allen relativ schnell klar, dass es sich nur um ihren damaligen Ehepartner handeln konnte. So verlor Johnny Depp nicht nur tausende Fans, sondern auch wichtige Kooperationen mit Disney und anderen Produktionsfirmen.
Während des Prozesses wurden alle möglichen Schmutzstücke an die Öffentlichkeit gezerrt. Videos von Johnny Depp, wie er unter Drogeneinfluss durch die Wohnung schreit, Audioaufnahmen von Amber Heard, wie sie Johnny Depp auslacht, als er zur Polizei gehen will. Make-up Paletten, gewaltvolle Textnachrichten und abgehackte Finger. Es ist wohl nicht nur die Absurdität der geschilderten Ereignisse, die die Menschen vor dem Lifestream fesseln und den Prozess seit Wochen in aller Munde halten. Es ist auch das Urbedürfnis des Menschen durch das Schlüsselloch ins Schlafzimmer zu spähen. Heimlich etwas zu beobachten aus dem privatesten Teil des Lebens der anderen.
Eine Menge Anwält*innen und Psycholog*innen haben sich bereits mit dem Verlauf des Prozesses auseinander gesetzt und verschiedene psychologische Erkrankungen auf Seiten beider Kläger diagnostiziert. Darum soll es hier jedoch nicht gehen. Stattdessen sollten wir einen Blick darauf werfen, was wir aus diesem Prozess und dieser zur Schau gestellten Beziehung lernen können.
Toxische Beziehungen, wie die von Johnny Depp und Amber Heard, sind keine Seltenheit. Zwar mag es nicht immer um abgehackte Finger und Kot im Bett gehen, doch emotionaler, physischer und finanzieller Missbrauch findet in vielen Beziehungen statt. Und das eben hinter diesen verschlossenen Schlafzimmertüren, durch die wir so gerne hindurch luschern wollen. 2017 ist alle 4 Minuten ein Mensch in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt geworden. Alle zwei bis drei Tage ist eines dieser Opfer durch Gewalt des Partners oder der Partnerin gestorben. Während der Corona-Krise ist die Anzahl der Opfer sogar noch um 6% gestiegen. Obwohl etwa 80% der Opfer häuslicher Gewalt Frauen sind, dürfen die restlichen 20% nicht vergessen werden. Auch Männer können Opfer ihrer Partner*innen werden. Gerade für sie ist es besonders schwierig Anzeige zu erstatten oder sich Hilfe zu suchen, da der Vorfall oft mit großer Scham besetzt ist.
Leider ist es für die Betroffenen oft nicht einfach, die gewaltvolle Beziehung zu verlassen, da sie in einer emotionalen oder finanziellen Abhängigkeit vom Partner oder der Partnerin stecken. Während in einer finanziellen Abhängigkeit der oder die Betroffene keine Möglichkeiten hat, das eigene Leben ohne die Partnerschaft zu finanzieren, funktioniert eine emotionale Abhängigkeit wie ein Spielcasino. Denn obwohl die Momente der Gewalt schlimm und traumatisiernd sind, gibt es doch immer wieder schöne Momente. Momente, in denen man an die Liebe glauben will. Unser Gehirn lernt so, dass es nur immer weiter dieselbe Handlung ausführen muss, um über kurz oder lang belohnt zu werden – das gleiche Prinzip, das auch Spielautomaten nutzen. Es ist nur einer der zahlreichen Gründe, warum Menschen in gewaltvollen Beziehungen bleiben.
In einer Partnerschaft müssen daher zwingen sogenannte „Dealbreaker“ gesetzt und kommuniziert werden. Was ist ein Verhalten, was ich noch tolerieren kann, an dem mein*e Partner*in allerdings arbeiten muss? Was ist aber auch ein Verhalten, bei dem ich sofort gehe? Für meinen eigenen Schutz und vielleicht sogar für den Schutz meiner Kinder. Diese „Dealbreaker“ sollten mit dem Partner oder der Partnerin besprochen werden und sie sollten eingehalten werden, sollte der Fall tatsächlich eintreten. Egal, wie sehr es dann wehtut. Egal, wie sehr man sich wünscht es wäre anders.
Anlaufstellen und Notfallnummern für Opfer häuslicher Gewalt findet ihr am Ende dieses Artikels.
Edward und Bella
Weg von der realen Welt, rein in die Popkultur: Es gibt eine Menge Beziehungen in Fernsehserien, Filmen und Büchern, die vor Red Flags nur so wimmeln. Allerdings ist kaum eine davon so bekannt und wird so stark romantisiert wie die Beziehung von Edward und Bella aus Twilight. Für diejenigen, die die Prämisse von Twilight und den folgenden Büchern nicht kennen: Edward, ein hundert Jahre alter Vampir, verliebt sich in Bella, eine 17jährige High School Schülerin. Trotz zahlreicher Hindernisse auf ihrem Weg – unter anderem, dass sein gesamtes WESEN darauf programmiert ist, sie zu töten – siegt am Ende ihre ewige Liebe.
Edward ist ein Paradebeispiel für einen toxischen Freund. Er lässt Bella nirgendwo hin alleine gehen und verfolgt sie auf Schritt und Tritt. Das Wort „Grenze“ kennt er nicht. Beispielsweise taucht er einfach aus dem Nichts in ihrem Auto auf, wenn sie ausnahmweise mal alleine unterwegs ist oder schleicht sich nachts in ihr Zimmer und beobachtet sie beim Schlafen. Das ist nicht süß, sondern grenzüberschreitend. Hinzu kommt, dass er keine ihrer Entscheidungen respektiert. Er behandelt sie wie ein Kind (was sie zugegebenermaßen im Verhältnis zu ihm auch ist, ihn aber nicht davon abhält Sex mit ihr zu haben).
Bella hingegen begiebt sich in vollkommene Abhängigkeit von ihm. Nachdem Edward Bella im zweiten Teil der Saga verlässt, fällt sie in eine monatelange Depression. Als es ihr endlich wieder so gut geht, dass sie wenigstens das Haus verlassen kann, stellt sie schnell fest, dass sie so etwas wie Edwards „Geist“ herbeirufen kann, wenn sie ihr Leben in Gefahr bringt, was schließlich darin endet, dass sie beinahe bei einem Sprung von einer Klippe stirbt.
Ein gebrochenes Herz nach dem Ende einer Beziehung ist vollkommen normal. Mit dem Partner oder der Partnerin geht auch ein Mensch, mit dem wir einen Großteil unseres Lebens geteilt haben und der unsere intimsten Gefühle kennt. Auch auf hormoneller Ebene kann das Phänomen des gebrochenen Herzens beobachtet werden. Befinden wir uns in einer engen (sexuellen) Beziehung mit einem Menschen, werden Oxytocin und Vasopressin ausgeschüttet, die sogenannten Bindungshormone. Sie befinden sich während der Beziehung auf einem dauerhaft hohen Level. Entfällt der emotionale und körperliche Kontakt plötzlich, so gerät auch der Hormonhaushalt durcheinander. Nach einer Weile stabilisiert er sich jedoch wieder und wir können (glücklicherweise) mit unserem Leben weiter machen.
Eine Beziehung wie Edward und Bella sie verkörpern, ist nichts Erstrebenswertes. Sie respektieren sich gegenseitig nicht ein winziges bisschen und stürzen sich in eine solche Co-Abhängigkeit, dass sie sich beinahe beide (Edward gewollt, Bella ungewollt) suizidieren. Das hat nichts mit Leidenschaft zu tun – das ist emotionaler Missbrauch.
Monica und Chandler
Monica und Chandler aus Friends hingegen verkörpern etwas, das man im Fernsehen leider nicht sehr häufig sieht: eine gesunde Beziehung. Sie beginnen ihre Beziehung auf Basis einer langen Freundschaft, nachdem sie auf einer anderen Hochzeit miteinander schlafen. Zunächst wollen sie sich nicht eingestehen, dass aus ihrer Freundschaft mehr geworden ist, insbesondere um ebendiese nicht zu ruinieren. Doch sie merken schnell, dass ihnen kaum etwas besseres hätte passieren können. Anders als Ross und Rachel, deren Beziehung auf andauernden Dramen, Missverständnissen und Vorwürfen fußt, können Chandler und Monica miteinander über die verletzlichsten Themen sprechen. Weil sie wissen, ihr Gegenüber wird sie annehmen, so wie sie sind.
Gesunde Beziehungen basieren auf Freundschaft. Nicht auf sexueller Anziehung, nicht auf Leidenschaft, nicht auf Attraktivität. Dies Dinge können (und dürfen) eine wichtige Rolle spielen, sollten jedoch nicht der einzige Faktor sein, warum Menschen eine Beziehung eingehen.
Monica und Chandler zeigen ausgezeichnete Kommunikationsstrategien im Umgang mit Monicas Unfruchtbarkeit – ein Thema, welches sie psychisch sehr stark belastet, hat sie doch ihr Leben lang von einem eigenen Kind geträumt. Doch Chandler ist für sie da, macht ihr keine Vorwürfe unfruchtbar oder zu weinerlich zu sein. Er lässt sie trauern und bietet ihr dann eine gemeinsame Problemlösung an. Ein weiteres schönes Beispiel zeigt sich, als Monica traurig darüber ist, „high maintenance“ genannt worden zu sein. Anstatt ihr zu sagen, dass die andere Person Unrecht gehabt hat, geht Chandler auf sie ein, erkennt ihre kleinen Fehler und Macken an und zeigt ihr, dass er sie trotzdem liebt: „But I love to maintain you.“
Auf der anderen Seite unterstütz Monica Chandler darin, mit seiner Unsicherheit mit dem Thema Beziehungen zu kämpfen. Chandler wurde in seiner Kindheit von seinen Eltern quasi ignoriert, weswegen es ihm schwer fällt, Vertrauen in Beziehungen zu setzen. Dies wird auch in seinen vergangenen Liebesbeziehungen deutlich. Als Monica und er sich streiten, befürchtet er, ihre Beziehung sei nun vorbei. Monica hingegen zeigt ihm, dass man sich in Beziehungen durchaus streiten kann. Streit gehört zu einer gesunden Beziehung dazu. Der Unterschied ist, dass man hinterher darüber spricht und es danach weitergeht.
Ihr müsst mit offenen Augen in eine Partnerschaft gehen. Bevor ihr euch am Altar das Ja-Wort gebt, müsst ihr eure*n Partner*in kennen. Verschließt nicht die Augen vor Fehlern, Verfehlungen und Problemen. Wenn ihr diese Sachen erkennt, und die andere Person immer noch liebt, dann ist es richtig. Es wird immer Verhaltensweisen und Vorfälle geben, an denen gearbeitet werden muss. Dafür gibt es Angebot wie Paartherapie oder -beratungen. Monica und Chandler zeigen indes über viele Staffeln hinweg, wie eine gesunde, liebevolle und unterstützende Beziehung aussehen kann. Daran darf man sich gerne ein Beispiel nehmen.
Anlaufstellen für Opfer häuslicher Gewalt
BMFSFJ – Hilfe und Beratung bei Gewalt
Anlaufstelle Weißer Ring
Beratungsangebote von der Polizei
Hilfetelefon häusliche Gewalt
Gesammelte Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche vom Familienportal