Nicht auf die leichte Schulter nehmen

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Ein Kommentar über den richtigen (politischen) Umgang mit Cannabis

Eine Legalisierung von Cannabis: Das hat die Ampelkoalition versprochen. Eingelöst wurde dieses Versprechen bisher nicht. Dafür bauschen sich die Debatten um eine Legalisierung auch neben Streitthemen zu den aktuellen Gaspreisen, der Klimakrise oder dem Angriffskrieg auf die Ukraine weiter auf. Es gibt eine Reihe von Gründen für die Legalisierung, aber auch eine Reihe dagegen. Darum soll es aber heute nicht gehen. Wenn ihr mehr darüber lesen wollt, kommt ihr hier zu einem Artikel von Valentin zur Legalisierung von Cannabis.

Egal ob Cannabis in den nächsten Jahren legalisiert wird, sollte ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Droge selbstverständlich sein. Doch viele, gerade junge Menschen, wissen nicht, wie ein solcher, nicht-schädlicher Umgang aussehen kann. Schuld daran ist die Bildungspolitik, die es seit Jahren nicht schafft, vernünftige Aufklärungsangebote über den Umgang mit Cannabis und Alkohol verpflichtend an Schulen einzuführen. Das einzige, was die Schüler*innen dort vorgesetzt bekommen, sind abschreckende Bilder und seltsame Statistiken, jedoch keine Anlaufstellen für Suchterkrankungen oder Aufklärung über den Unterschied zwischen THC und CBD, verschiedene Cannabissorten und wie man sich vor verunreinigten Mitteln schützen kann.

Cannabis darf nicht verharmlost werden…

Wer Cannabis konsumiert, sollte sich (wie jede*r Konsument*in einer Droge, ja auch Alkoholkonsument*innen) darüber bewusst sein, dass er oder sie seinem Körper erstmal potentiellen Schaden anrichtet. Dabei geht es primär nicht um das Nikotin und die Schadstoffe aus dem Tabak, mit dem Cannabis meistens gemeinsam geraucht wird, sondern um die direkte Wirkung von Cannabis auf den Körper und die mentale Gesundheit. Hier ein paar Fakten:

  • Das Abhängigkeitsrisiko ist moderat. Nur 9% der Cannabis-Konsument*innen werden im Laufe des Lebens abhängig. Anders als angenommen, kann Cannabis allerdings nicht nur psychisch, sondern auch physisch abhängig machen. Zu den Entzugssymptomen gehören Schlafstörungen oder Schwitzen. Diese Symptome sind jedoch zumeist deutlich milder als bei den meisten anderen Drogen.
  • Das Risiko für Husten, Luftnot oder Engegefühl in der Brust ist beim Rauchen von Cannabis etwa verdoppelt, auch wenn Cannabis ohne Tabak geraucht wird.
  • Das Risiko für Hodenkrebs ist um das 1,5-2fache erhöht.
  • Wer während der Schwangerschaft Cannabis konsumiert, erhöht das Risiko für Geburtskomplikationen und Entwicklungsstörungen des Fötus.
  • Cannabis-Konsument*innen haben ein 50% höheres Risiko an Depressionen oder Angststörungen zu erkranken. Außerdem verdoppelt sich das Risiko für eine bipolare Störung. Die Risiken für psychische Erkrankungen sind umso höher, je früher Cannabis geraucht wird und je höher der THC-Gehalt ist. Es ist allerdings bisher nicht klar, in welcher Beziehung Cannabis und psychische Erkrankungen stehen. Cannabis-Gebrauch könnte die Entstehung psychischer Erkrankungen begünstigen, es könnte auch auch sein, dass psychisch kranke Menschen vermehrt zu Cannabis-Gebrauch neigen.
  • Achtung Psychose! Personen, die täglich Cannabis mit einem THC-Gehalt von über 10 Prozent gebrauchen haben ein fast fünffaches Risiko für eine Psychose. Dieses Risiko steigt nochmal erheblich, wenn eine bestimmte genetische Veranlagung besteht. Menschen mit den Genvarianten AKT1 oder DRD2 haben je nach Häufigkeit des Konsums ein bis zu siebenfaches Risiko, an einer Psychose zu erkranken, bei täglichem Gebrauch sogar ein bis zu zehnfaches Risiko. Dabei sind die Genvarianten keineswegs selten. 20% der europäischen Bevölkerung träft die Genvariante AKT1. Auch hier ist jedoch die Richtung des Effekts nicht bekannt. Es könnte sein dass psychotisch kranke Menschen öfter Cannabis konsumieren als andere.
  • Dauerhafter Cannabis-Konsum führt zur Abnahme der Neuronen im Bereich der Amygdala und des Hippocampus (wichtig für Gedächtnis- und Lernprozesse), sowie zu einer Verdünnung des präfrontalen Kortex (Handlungsplanung, Problemlösung, Impulskontrolle). Ob dies zu dauerhaften kognitiven Beeinträchtigungen führen kann, ist jedoch aufgrund der schlechten Studienlage, bisher nicht geklärt.

… Alkohol aber auch nicht

Cannabis ist eine Droge, ob sie nun legalisiert wird oder nicht, die schädliche Auswirkungen auf unseren Körper und unsere Gesundheit hat. Das sollte sich jede*r Konsument*in bewusst sein. Es gibt allerdings noch eine andere Droge, die seit Jahren komplett legal (z.T. schon ab 16 Jahren) überall zu kaufen ist – und das verhältnismäßig günstig. Alles, obwohl Studien seit Jahren die Schädlichkeit des Alkoholkonsums belegen. Zur Vollständigkeit hier also auch noch ein paar Fakten und Zahlen zum Alkohol:

  • Riskanter alkoholgebrauch ist ein Risikofaktor für 200 Erkrankungen, darunter Her-Kreislauf und Krebserkrankungen
  • Weltweit sterben jedes Jahr 3 Millionen Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsum und etwa jeder 20. Todesfall ist alkoholbedingt.
  • Wer mit 0.2 Promille Alkohol noch Auto fährt (das ist erlaubt), hat ein drei- bis vierfach höheres Risiko, Verursacher eines schweren Verkehrsunfalls zu sein.
  • 10-15% entwickeln eine Alkoholabhängigkeit. Das Risiko steigt, je früher und häufiger Alkohol konsumiert wird. Zu den Entzugssymptomen gehören Herzrasen und Krampfanfälle.
  • Das Risiko, an einer Depression oder Angststörung zu erkranken verdoppelt sich, das Risiko für eine Psychose verdreifacht sich. Außerdem haben Menschen, die Alkohol missbrauchen eine vier- bis fünffache Wahrscheinlichkeit an einer bipolaren Störung oder einer anderen Substanzkonsumstörung zu erkranken. Das Risiko für einen Suizid steigt auf das 2,6-fache.
  • Dauerhafter Alkoholkonsum schädigt die Nervenzellen und lässt die verbindenen Nervenfasern abnehmen. Dies betrifft vor allem den präfrontalen Kortex und das Kleinhirn. Einige Studien zeigen aber, dass die Schäden reparabel sein können.

Der richtige (politische Umgang) mit Cannabis

Es gibt viel zu tun bis der Umgang mit Cannabis in Deutschland verantwortungsbewusst stattfinden kann. Die Studienlage könnte besser sein, viele Wirkmechanismen sind bisher nur teilweise oder gar nicht bekannt. Was jedoch deutlich erkennbar ist, ist der Bedarf an Schutz und Aufklärung Minderjähriger. Über alle Studien hinweg wurde gezeigt, dass die schädlichen Auswirkungen des Cannabis-Konsums umso höher sind, je früher mit dem Konsum begonnen wurde. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist einer der wichtigsten Gründe für die Legalisierung, nur so kann die Abgabe an Minderjährige kontrolliert und sanktioniert werden. Deshalb muss es eine Neuausrichtung der Drogen- und Suchtpolitik in Deutschland geben.

Es gibt eine Reihe von Regeln, die umgesetzt werden sollten, damit verantwortungsvoll mit legalen Drogen umgegangen werden kann. Die Bundespsychotherpeutenkammer hat dazu umfassend Stellung bezogen und eine Liste erstellt, die u.a. folgende Punkte enthält:

  • Den Erwerb regeln: Mindestalter für den Erwerb aller legalen Drogen auf 18 Jahre festlegen, ein Verkaufsverbot von Cannabis in Nahrungsmitteln, Alkoholsteuer auf den europäischen Durchschnitt erhöhen und einen Mindestpreis für Alkohol festlegen, die Abgabe aller legalen Drogen ausschließlich über staatlich lizenzierte Geschäfte und ein striktes Werbeverbot für alle legale Drogen
  • THC und CBD: THC-Gehalt höchstens 15 Prozent,
  • Steuern: Cannabis nach seiner stärksten psychoaktiven Substanz (THC-Gehalt) und Menge besteuern, Alkoholsteuer auf den europäischen Durchschnitt erhöhen und einen Mindestpreis für Alkohol festlegen
  • Aufklärungsarbeit: Aufklärungs- und Anti-Stigma-Kampagnen zu Suchterkrankungen verpflichtende Aufklärungsprogramme zu Drogen an Schulen ab der sechsten Jahrgangsstufe
  • Prävention und Hilfe bei Suchterkrankungen: Screening zur besseren Früherkennung von Drogenmissbrauch, Suchtberatung als verpflichtendes Leistungsangebot der Kommunen, ambulante Psychotherapie bei Suchterkrankungen ohne Einschränkungen ermöglichen, Rehabilitationseinrichtungen zur Behandlung von Suchterkrankungen besser finanzieren, spezielle Behandlungsangebote für suchtkranke Kinder und Jugendliche schaffen, Therapie- und Versorgungsforschung bei Suchterkrankungen

Wie schütze ich mich vor verunreinigten Substanzen

Wer zu 100 Prozent sicher gehen möchte, dass nur sauberes Cannabis im Joint landet, muss selber anbauen. Den meisten Kosument*innen ist der Aufwand und das strafrechtliche Risiko dazu aber zu hoch. Auch deshalb ist die Eigenanbauquote in Deutschland äußerst gering. Wer vor dem Eigenanbau zurückschreckt, sollte aber zumindest seinen Dealer ganz genau kennen. Regelmäßige Cannabiskonsument*innen haben in aller Regel ohnehin einen Stammdealer. Wer Cannabis aber nur gelegentlich raucht oder es nur mal ausprobieren möchte, sollte nicht den Dealer an der Ecke eines Parks aufsuchen. Eher bietet es sich an, konsumierende Freunde oder Bekannte nach Hilfe zu fragen. Wer Cannabis kauft, sollte immer versuchen, möglichst viele Informationen über die gekaufte Blüte oder das gekaufte Haschisch einzuholen. Je mehr Informationen ein vertrauenswürdiger Dealer über Zuchtsorte und Wirkstoffgehalt hat, desto besser. Da diese Angaben aufgrund der undurchsichtigen Lieferkette aber nicht immer stimmen, sollte man die Angaben grob ableichen, zum Beispiel mit Bildern der vermeintlichen Sorte im Internet. Bei Zweifeln an der Qualität empfiehlt es sich, die Cannabisblüte genau zu betrachten, beispielsweise mit Hilfe einer Schmucklupe. Fallen nun Gummiteile, Sand oder andere Verunreinigungen auf, sollte man das Gras natürlich auf keinen Fall rauchen.

Immer wieder taucht auch in Deutschland sogenanntes Spice auf. Das sind künstliche Cannabinoide mit extrem schädlicher Wirkung. Diese synthetischen Stoffe haben rein gar nichts mit Cannabis zu tun und können sogar tödlich sein. Häufig wird der feine grüne Staub Gewürzmischungen untergemischt, die schon rein äußerlich nicht nach Cannabis aussehen. Finger weg!

Leider ist in Deutschland professionelles Drug-Checking nicht erlaubt. Wer aber wirklich ganz sicher gehen möchte, kein verunreinigtes Gras zu konsumieren, kann sein Cannabis mit einigen Tricks in der Schweiz untersuchen lassen. Im Internet finden sich dazu zahlreiche Anleitungen

Anlaufstellen bei Suchterkrankungen

Zum Ende gibt es noch eine allterletzte Liste von mir: eine Übersicht von Anlaufstellen bei Suchterkrankungen. Eine Suchterkrankung ist eine psychische Erkrankung. Leider ist sie mit einem Stigma behaftet und geht oft mit großer Scham für die Betroffenen einher, weswegen sich viele nicht trauen, Hilfe zu suchen. Es gibt allerdings anonyme Beratungsangebote im Internet, die auch zur Seite stehen und über eure Möglichkeiten aufklären können. Wenn ihr das Gefühl habt, an einer Suchterkrankung zu leider oder ihr jemanden in eurem Umfeld kennt, sucht euch Hilfe. Ihr seid nicht allein.

Anmerkung: Alle Quellen und Nachweise zu den Cannabis- und Alkoholfakten können in der Stellungnahme der Bptk nachgelesen werden

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